Mein Kommentar als Ergänzung für den Beitrag von Claudia Kühner von 08.10.2015
Claudia Kühner’s Beitrag: „ Der Tempelberg als nächstes Ziel“ - Radikalisierung und gewalttätige Zusammenstösse von Juden und Palästinensern sind die absehbaren Folgen einer verfehlten Politik, beschreibt die gegenwärtige Situation in Jerusalem ziemlich zutreffend, insbesondere die Heuchelei und Ohnmacht der westlichen Welt und der Nobelpreisträgerin Europäische Union, die unverkennbar sind.
Bis auf die eine Behauptung: „Zu sensibel ist dieser Ort, auch wenn dort einst ihr Tempel stand (an dessen restlicher Mauer sie seit der Zerstörung beten)“, die so nicht stehen bleiben kann. Hier werden historische Tatsachen nicht korrekt wiedergegeben und sollten deshalb geklärt werden. Seit 1967, nach dem Sechs-Tage-Krieg, hat eine große Schar israelischer Archäologen begonnen, nach Spuren des angeblichen und zerstörten Tempels des Salomon auf dem fälschlicherweise genannten „Tempelberg“ zu graben. Nie ist auch nur eine einzige Spur, die auf einen jüdischen Tempel hinweisen könnte, gefunden worden. Bis heute nicht.
Seit der Balfour-Deklaration im Jahre 1917 haben die Zionisten begonnen,
die Buraq-Mauer (Westmauer der Al-Aqsa Moschee) als ihre „Klagemauer“ zu
betrachten. Deswegen gab es immer Zündstoff zwischen Muslimen und Juden. Im
Jahre 1929 gab es Streiks, Aufstände und Unruhen in vielen Städten
Palästinas, gegen die Weißbücher Großbritanniens (diese sind eine
offizielle Grundsatzerklärung der britischen Regierung) und die Ansprüche auf
die Klagemauer, bei denen 133 Juden, 116 Araber, vor allem von Briten
getötet wurden. Jedes Palästina betreffende Weißbuch bekam den Namen des
jeweiligen Kolonialministers: „Churchill-Weißbuch“ 1922; „Passfield-Weißbuch“
1930; „MacDonald-Weißbuch“ 1939.
Im selben Jahr, während des britischen Mandats über Palästina, hat eine
objektive wie unparteiische Internationale Untersuchungskommission, angeführt
vom ehemaligen schwedischen Außenministers Eliel Löfgren festgestellt,
dass es sich bei der sogenannten „Klagemauer“ lediglich um die muslimische
„Buraq-Mauer“ handelt, und diese sei einzig und allein Eigentum der Muslime. Im
Jahr 1930 hat die Kommission, nach Anhörung beider Seiten und Auswertung aller
Dokumente, jüdische und arabische, einen Bericht an den Völkerbund abgegeben, in
dem ohne jeden Zweifel dokumentiert wird, dass die Buraq-Mauer eindeutig ein
Besitz der Muslime sei. Im Bericht steht, dass die westliche Wand der
Al-Aqsa-Moschee (Al-Buraq-Mauer) ein unteilbarer Teil des Territoriums
des „Al-Haram Al-Sharif“ – Al-Aqsa Moschee und des Felsen Doms - ist. Diese
sind ohne Zweifel Eigentum des Islamischen Waqf (Stiftung).
Fakt ist, dass Juden, sprich Zionisten, keinen Anspruch auf die sog.
Klagemauer haben. Die Klagemauer, die nicht gibt, kann den Juden gar nicht
heilig sein. Lediglich der „zionistische Gott“ hat die muslimische Buraq-Mauer
in eine Klagemauer umbenannt und für die Juden geheiligt, also heilig
gesprochen, damit die Zionisten ihrem angeblich zerstörten Salomon-Tempel
nachweinen und ihn wieder auf dem Tempelberg aufbauen können.
Fazit: Es handelt sich hier lediglich um einen zionistischen Treppenwitz der Geschichte.
Izzeddin Musa
Anschrift
Diese Zeilen bekam ich von Ellen Rohlfs als
Ergänzung für meinen Kommentar oben.
Lieber Izzedin, soweit mir von Archäologen (persönlich und
aus Büchern) bekannt ist, ist die sog. Westmauer(Klagemauer erst viel später
entstanden und nie ein Teil eines Tempels gewesen sondern nur die Stützmauer
des von Herodes II oder III erweiterten „Tempel-Compound. Die oberen Teile
seien sogar noch später gebaut worden. Es ist so, als würde man die Mauer um
einen Schlosspark zu einem Teil des Schlosses machen.
Herzlich Ellen
PS aber der Mythos wird noch immer unter
Ultraorthodoxen und bei Touristen und auf Postkarten verbreitet.
Damit der Beitrag von Claudia Kühner nicht irgendwann vom Netz verschwindet, füge ich ihn hier
bei:
Für Arabisch Sprechende:
اليهود حولوا «حائط البراق» المقدس إلى «حائط مبكى» مزعوم
قراءة: عبدالله حشيش - القاهرة
الجمعة 03/06/2011
https://www.al-madina.com/article/87910/%D8%A7%D9%84%D9%8A%D9%87%D9%88%D8%AF-%D8%AD%D9%88%D9%84%D9%88%D8%A7-%D8%AD%D8%A7%D8%A6%D8%B7-%D8%A7%D9%84%D8%A8%D8%B1%D8%A7%D9%82-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%82%D8%AF%D8%B3-%D8%A5%D9%84%D9%89-%D8%AD%D8%A7%D8%A6%D8%B7-%D9%85%D8%A8%D9%83%D9%89-%D9%85%D8%B2%D8%B9%D9%88%D9%85
Für Arabisch Sprechende Link in die Befehlszeile einkopieren
Der Tempelberg als nächstes Ziel
Radikalisierung und gewalttätige Zusammenstösse von Juden und Palästinensern sind die absehbaren Folgen einer verfehlten Politik.
Von Claudia Kühner 08.10.2015
Krawall,
Zusammenstösse, Schüsse, Messerstiche, Tote – ist das, was gegenwärtig in
Jerusalem und den besetzten Gebieten geschieht, der Beginn eines dritten
Palästinenseraufstandes nach 1987 und 2000? Das ist gegenwärtig noch nicht klar
oder vorhersehbar. Was leichter zu analysieren ist, sind Gründe für diesen
erneuten Gewaltausbruch. Völlige Hoffnungslosigkeit auf palästinensischer Seite
trifft auf eine wachsende Radikalisierung der religiösen und nationalistischen
Rechten in der israelischen Gesellschaft, die sich seit der letzten Wahl auch
in der Politik der rein rechten Regierungskoalition spiegelt.
Was vor Wochen auf dem Jerusalemer Tempelberg begann, weitet sich nun aus auf die Westbank und möglicherweise auch auf Israel selber. Auf dem Tempelberg, dem drittwichtigsten islamischen Heiligtum, ist es Juden untersagt zu beten. Zu sensibel ist dieser Ort, auch wenn dort einst ihr Tempel stand (an dessen restlicher Mauer sie seit der Zerstörung beten). Erste jüdisch-muslimische Zusammenstösse gab es hier schon 1929.
Kollektivstrafe statt Politik
Doch immer öfter haben extremistische Ultraorthodoxe dieses Verbot mit staatlicher Duldung missachtet und damit muslimische Gläubige oder radikalisierte Jugendliche bis zur Gewaltanwendung provoziert. Der dann, wie immer, die scharfe Reaktion von israelischen Sicherheitskräften und neue palästinensische Anschläge folgten. Regierungschef Benjamin Netanyahu weiss keine andere Antwort als die bekannte: Kollektivstrafen werden verhängt in Form von Häuserzerstörungen und tödlicher Gewalt seitens der Sicherheitskräfte. Eine jahrzehntealte Methode, die das Völkerrecht als Kriegsverbrechen bezeichnet und die den Zweck der Abschreckung nie erfüllt hat.
Was vor Wochen auf dem Jerusalemer Tempelberg begann, weitet sich nun aus auf die Westbank und möglicherweise auch auf Israel selber. Auf dem Tempelberg, dem drittwichtigsten islamischen Heiligtum, ist es Juden untersagt zu beten. Zu sensibel ist dieser Ort, auch wenn dort einst ihr Tempel stand (an dessen restlicher Mauer sie seit der Zerstörung beten). Erste jüdisch-muslimische Zusammenstösse gab es hier schon 1929.
Kollektivstrafe statt Politik
Doch immer öfter haben extremistische Ultraorthodoxe dieses Verbot mit staatlicher Duldung missachtet und damit muslimische Gläubige oder radikalisierte Jugendliche bis zur Gewaltanwendung provoziert. Der dann, wie immer, die scharfe Reaktion von israelischen Sicherheitskräften und neue palästinensische Anschläge folgten. Regierungschef Benjamin Netanyahu weiss keine andere Antwort als die bekannte: Kollektivstrafen werden verhängt in Form von Häuserzerstörungen und tödlicher Gewalt seitens der Sicherheitskräfte. Eine jahrzehntealte Methode, die das Völkerrecht als Kriegsverbrechen bezeichnet und die den Zweck der Abschreckung nie erfüllt hat.
Amira Hass, die für «Haaretz»
seit Jahren über die besetzten Gebiete berichtet, sagt es in einfachen Worten:
«Die Palästinenser kämpfen für ihr Leben, in vollem Wortsinn. Wir israelischen
Juden kämpfen für unsere Privilegien als Volk der Herren, in aller Hässlichkeit
dieses Begriffs.» Getötete Palästinenser erscheinen in den Medien kaum, dabei
übersteigt ihre Opferzahl jene der Juden um Tausende. Ihr Leben wird immer
unerträglicher angesichts des fortwährenden Siedlungsausbaus, ihre politische
Führung hat mit ihrem Anpassungskurs nichts erreicht, nicht im Kleinen und
schon gar nicht im Grossen. Land wird enteignet, der Zugang zu Wasser
versperrt, sie landen ohne Anklage im Gefängnis, sie werden ihres Bodens
verwiesen oder ausgebürgert, sie dürfen nicht bauen nach ihren Bedürfnissen,
sie werden jeder Hoffnung auf einen Staat beraubt. Stattdessen dienen ihre
Sicherheitstruppen als Subunternehmer Israels, finanziert von der EU und den
USA.
Zum Bild gehört auch, dass die
Brandstifter, denen vor zwei Monaten eine palästinensische Familie zum Opfer
fiel, bis heute frei herumlaufen, obwohl man weiss, aus welcher Ecke sie
kommen. Dass sich so ein Teil der palästinensischen Jugend radikalisiert und
Anschläge begeht, ist nur eine der Folgen. Für Netanyahu aber handelt es sich
um Mörder, die «Juden töten, weil sie Juden sind». Denn seine Politik
beschränkt sich darauf, den Holocaust, den vergangenen wie einen drohenden, zu
beschwören.
Der Radikalisierung in der
israelischen Rechten schaut er dagegen tatenlos zu. In der Regierung sitzen
heute Minister wie Naphtali Bennett, Zipi Hotovely oder Ayelet Shaked, die klar
zum Ausdruck bringen, dass die besetzten Gebiete für immer israelisches
Territorium bleiben werden (es fehlt nur noch die förmliche Annexion). Der
Regierungschef, der immer einmal Lippenbekenntnisse zur Zweistaatenlösung
abgibt, sie aber nicht wirklich will, hat die Kollegen noch nie
zurückgepfiffen.
Tempelberg als Kampfplatz
Diese Rechte sieht sich heute
auch nicht mehr zu einem «Kampf» für ihre Siedlungen gedrängt. Als letztes noch
nicht beherrschtes Territorium rückt deshalb der Tempelberg ins Zentrum ihrer
Aufmerksamkeit. Zum Bild gehören auch die Hunderten von Juden, die nach den
Anschlägen in der Altstadt unter «Tod den Arabern»-Rufen ungehindert durch die
Strassen von Jerusalem zogen. Ein Slogan, der längst zum Graffiti-Repertoire
dieses Milieus gehört.
Die Welt, mit anderen Problemen
beschäftigt, schaut derweil weg – mit Problemen, die genau aus solchem
Verdrängen resultieren. Bis heute ist die EU unwillens, Israel zu einer
politischen Lösung zu drängen. Und der Schlüssel liegt in Jerusalem, nicht in
Ramallah, dem Zentrum der Ohnmacht.
(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 08.10.2015,
06:06 Uhr