Referat von Dr. Ludwig Watzal - 7.
Dezember, "Cafe Palästina" in Bonn - "Institut für
Palästinakunde"
Dr. Izzeddin Musa
Dr. Izzeddin Musa
"Die
Ein-Staaten-Lösung für Israel/Palästina werde kommen, aber nicht wie sich deren
Befürworter sie sich in Form eines bi-nationalen Staates wünschen, sondern nur
in einem erweiterten Staat Israel", so eine von zahlreichen provokanten
Thesen des Nahostexperten Dr. Ludwig Watzal, der am Sonntag, 7. Dezember,
im Rahmen der Veranstaltungsreihe von "Cafe Palästina" in Bonn, die
vom "Institut für Palästinakunde" organisiert wird, vertreten hat.
Gleichwohl betonte der Referent, dass er hoffe, die Palästinenser würden ihr
Recht auf Selbstbestimmung in einem eigenen Staat, der diesen Namen auch
verdient, zuerst realisieren, bevor über weitereIntegrationsformen spekuliert
werden könne.
Bevor der
Referent die Debatte Ein- versus Zwei-Staaten-Lösung darstellte, ging er auf
einige zentrale Wegmarken der palästinensischen Katastrophen ein, beginnend mit
der Al-Nakba, die 1948 im Zuge der Staatsgründung Israels zur Vertreibung von
700.000 Palästinensern führte. Seither sei die Entwicklung dieses Volkes von
weiteren Katastrophen begleitet worden. Ausdrücklich erwähnte er Israels
Präventivkrieg vom Juni 1967, der zur weiteren Vertreibung von 300.000 Menschen
führte, sowie die Unterzeichnung der so genannten Osloer-Abkommen. Durch sie
sei erstmalig eine ehemalige Befreiungsbewegung zum Subunternehmer der
Besatzungsmacht degradiert worden. Einem Nelson Mandela, mit dem sich Arafat
verglichen sehen wollte, wäre diese Haltung niemals in den Sinn gekommen.
Ludwig
Watzal erläuterte weiterhin, welche historischen Ereignisse sich negativ auf
die Entwicklung in Palästina ausgewirkt haben. So sei der Zusammenbruch der
Sowjetunion nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für andere arabische
Regimes eine geopolitische Katastrophe gewesen, weil sie der Eroberung durch
das US-Imperium Tür und Tor geöffnet habe. Die so genannte "Neue
Weltordnung", die von George W. H. Bush verkündet worden sei, habe sich
letztendlich als Einfallstor für neue Eroberungen entpuppt.
Auch die
von den USA initiierte und von der untergehenden Sowjetunion mitgetragene
Madrider Friedenskonferenz 1991 habe zu nichts geführt, weil, wie der damalige
israelische Ministerpräsident Yitzhak Shamir nach seiner Wahlniederlage gegen
Yitzhak Rabin erklärt hat, dass er noch weitere zehn Jahre mit den
Palästinensern verhandelt hätte, ohne dass es zu einem Ergebnis gekommen wäre.
Hinter dem Rücken der offiziellen palästinensischen Verhandlungsdelegation habe
der jetzige Präsident Abbas und Ahmad Qurei die Verhandlungen in Oslo geführt,
die zu der territorialen Katastrophe für die Palästinenser geführt habe, die
heute in Palästina herrsche. Auch die Verhandlungen in Camp David im Juli und
August 2000 hättensich für die Palästinenser verheerend ausgewirkt, weil
Präsident Bill Clinton und Ehud Barak Yassir Arafat für das Scheitern
verantwortlich gemacht hatten, obgleich alleine Barak für das
Scheitern verantwortlich war. Sein Ausspruch "there is no partner
for peace" habe der zionistischen Friedensbewegung den Todesstoß versetzt.
Barak
verlor die Wahlen und Ariel Sharon wurde Ministerpräsident. Die Anschläge vom
11. September 2001 dienten Sharon als Vorwand, "Arafat zu seinem Bin
Laden" zu erklären und so mit ihm zu verfahren, wie die US-Amerikaner mit
Afghanistan getan haben. Sharon zerlegte die Palästinensische Autorität (PNA)
in seine Einzelteile und setzte Arafat in seinem Regierungssitz in Ramallah
gefangen, bis er 2004 todkrank nach Paris ausgeflogen worden sei und dort
verstarb.
Die so
genannten Friedensverhandlungen unter Ehud Olmert oder Benyamin Netanyahu seien
nicht der Rede wert gewesen. Wie weit die palästinensische
Kompromissbereitschaft gegangen sei, machte der Referent an dem Ausspruch von
Saeb Erekat gegenüber Zivi Livni deutlich: "The only thing I cannot do is
convert to Zionism." Dieser Ausspruch habe gezeigt, dass die Palästinenser
um Abbas bereit waren, alles zu geben, aber dies sei Israel immer noch nicht
genug gewesen. Erekat sagte zu
Livni: „You have now the greatest Israel you ever had", worauf sie
antwortete: „It's not enough.“
Die
politische Entwicklung und die renitente Haltung der rechtsnationalistischen
israelischenRegierung habe u. a. auch dazu geführt, dass das Konzept einer
Ein-Staaten-Lösung, das bereits in den 1930er Jahren gescheitert sei, wieder
von einigen Aktivisten in die Debatte eingeführt worden sei. Konferenzen zu
diesen Fragen fanden in Madrid, London,
Haifa, Texas und zuletzt 2010 in Stuttgart statt. Ein wichtiges Argument der
Ein-Staaten-Vertreter ist: Alle Versuche, den Nahostkonflikt durch die
Schaffung eines zweiten Staat für die Palästinenser zu lösen, seien
gescheitert. Ebenso spreche die Entwicklung vor Ort gegen eine
Zweistaatenlösung, weil sie von einer Symmetrie der Macht zwischen der
Kolonialmacht und den Kolonisierten ausgehe. Ebenso spreche gegen eine
Zweistaatenlösung nach Ansicht der Befürworter einer Ein-Staaten-Lösung die
Tatsache, dass in ersterer die israelischen Palästinenser weiterhin Bürger
zweiter Klasse blieben und den Flüchtlingen ihr laut UN-Resolution verbrieftes
Recht auf Rückkehr verweigert werden würde. Weiter wird behauptet, dass eine
international angestrebte Zweistaatenlösung keinen lebensfähigen
palästinensischen Staat schaffen könne und dass eine palästinensische und
jüdisch-israelische Unabhängigkeit in eigenen Staaten die fundamentalen
Ungerechtigkeiten beseitigen könne. Da es bisher nur den Staat Israel gibt,
kann über diese Frage erst verhandelt werden, wenn ein unabhängiger Staat
Palästina von der internationalen Staatengemeinschaft etabliert und anerkannt worden
ist.
Für eine
Zweistaatenlösung spreche nicht nur der Teilungsplan der Vereinten Nationen vom
29. November 1947 (Resolution 181 der UN-Generalversammlung), sondern auch in
dessen Folge alle weiteren UN-Resolutionen, seien sie vom UN-Sicherheitsrat oder
der UN-Generalversammlung verabschiedet worden. Keiner der 193 Mitgliedstaaten
der UNO trete für die Ein-Staaten-Lösung ein. Selbst die PLO hatte sich mit der
Proklamation des Staates Palästina am 15. November 1988 in Algier für die
Zwei-Staaten-Lösung entschieden. Dieser Staat sei bis dato von 135 Staaten
diplomatisch anerkannt worden. Dass der Durchbruch noch nicht gelungen sei,
liege an der Verweigerungshaltung Israels und der USA sowie einiger
westeuropäischer Staaten. Immerhin habe Palästina seit dem 20. November 2012
Beobachterstatus in den Vereinten Nationen, aber kein Stimmrecht. Der Staat
Palästina habe jedoch das Recht, die israelischen Kriegsverbrechen und
Menschrechtsverstöße vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur
Anklage zu bringen. Das Argument, dass schon unumstößliche Fakten vor Ort
geschaffen worden seien, ließ der Referent nicht gelten und verwies in diesem
Zusammenhang auf den Rückzug und Abriss von Siedlungen im Sinai und im
Gazastreifen. Auch habe Frankreich nach der Unabhängigkeit Algeriens eine
Million Franzosen umgesiedelt.
Watzal
verwies noch auf den Vorschlag von Wirtschaftsminister Naftali Benett, den
dieser am 5. November in der "New York Times" gemacht habe. Darin hat
dieser für eine Unterstellung der C-Zone unter israelische Souveränität
plädiert. Den dort lebenden zirka sechs Prozent der Palästinenser sollte die
israelische Staatsbürgerschaft gegeben werden. Im A- und B- Gebiet sollte die
Palästinensische Behörde aufgewertet werden. Dort könnten sie ihre eigenen
Dinge regeln. Ein zukünftiges palästinensisches Staatsgebilde werde weder
über ein eigenes Militär noch über die Kontrolle der Außengrenzen verfügen.
Eine Zwei-Staaten-Lösung schloss Benett aus.
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