Stellungnahme
der "Jüdischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
zur neuen Gaza-Krise
http://www.hagalil.com/archiv/2010/06/03/j-sozis/print/
Hier meine Stellungnahme dazu:
Liebe
jüdische Genossinnen und Genossen,
mit Interesse
und Aufmerksamkeit las ich eure Stellungnahme zum Militäreinsatz
israelischer Soldaten, zur Erstürmung der Friedens-Hilfsflotte
für Gaza. Der erste Absatz insgesamt ist korrekt, und ich stimme
damit überein. Eure berechtigte Forderung nach einer Klärung
der Erstürmung wird von Israel verhemmt abgelehnt. Auch der Bundestag
fordert ein Ende der Gaza-Blockade und verlangt eine Aufklärung
des israelischen Angriffs auf die Hilfsflotte. Israel hat eine internationale
unabhängige Untersuchungskommission abgelehnt. Inzwischen bietet
Israel eine eigene Untersuchungskommission an, an der auch andere,
nicht israelische Personen, teilnehmen dürften. Die Ergebnisse
solcher Untersuchungen lassen zu Recht Zweifel an der Neutralität
zu. Was bei einer solchen Untersuchung herauskommt, ist bekannt:
gar nichts. Es ist so, als ob ein Mörder seinen eigenen Mord
"unabhängig" untersuchen soll.
Bei der
weiteren Stellungnahme habe ich in einigen Punkten Übereinstimmung
entdeckt, jedoch einige Punkte darin sind zu bemängeln und bedürften
einer Erklärung.
Der erste
Satz des zweiten Absatzes wird eigentlich im allgemein herbeigeredet.
Jedoch nicht in diesem Zusammenhang, da er den Eindruck vermitteln
könnte, man schiebe stets die Schuld zuerst auf Israel. Dem ist
wohl nicht so. Gehen wir zum zweiten Satz, den man nur als zutreffend
bezeichnen kann. Aber der Anschlusssatz, wenn Ihr behauptet, dass
die Frage der Erstürmung nichts damit zu tun hat, kann man nicht
so im Raume stehen lassen. Denn, hätte die Blockade nicht bestanden,
hätten die Menschen, die die unmenschliche Lage in Gaza nicht
mehr ertragen konnten, nicht versucht, diese Blockade zu durchbrechen.
Worauf Israel mit einem unverhältnismäßigen Militäreinsatz
auf hoher See, der gegen internationales Recht verstößt,
geantwortet. Die Frage der Unverhältnismäßigkeit des
Einsatzes, ob sie im Zusammenhang oder getrennt beantwortet wird,
tut nichts zur Sache. Da die Erstürmung in seiner Gesamtheit
nicht berechtigt war, weder von humanitärer noch von rechtlicher
Seite. Gar unpassend ist der dritte Satz: "Nicht zu vergessen
ist hierbei auch, dass der Aktion des israelischen Militärs eine
unmissverständliche Warnung an die Organisatoren der so genannten
"Hilfsflotte" vorausging."), den man als ein verstecktes
Verständnis eurerseits für diese Vorwarnung verstehen kann.
Andererseits vermittelt er eine implizite Drohung! Heißt das
etwa, dass die Menschen nicht versuchen sollten, diese unmenschliche
Blockade zu durchbrechen? Wollt Ihr in Kauf nehmen, dass diese Blockade
ewig dauern sollte, damit den Menschen dort, insbesondere den Kindern,
es an allem fehlt? Die 1,5 Millionen Menschen leben seit dem Ende
des Überfalls auf Gaza, Sommer wie Winter, in Zelten. Sie haben
nichts zu essen, sie haben keine Lernmaterialien. Es gibt keinen Strom.
Ganz besonderes fehlt es an sauberem Trinkwasser, was ihnen nach internationalem
Recht nicht verweigert werden darf. Mit anderen Worten, es fehlt diesen
Menschen wirklich an allem, ohne nun im Detail alles aufzuzählen.
Israel will die Menschen bestrafen, nur weil sie ihr elementares,
international anerkanntes und verbrieftes Selbstbestimmungsrecht fordern,
das ihnen, die so genannte einzige Demokratie im Nahen Osten, Israel,
seit seiner Gründung verweigert. Das ist das gleiche Israel,
dessen Knessetmitglied, Gründer und Vorsitzender der ultrarechten
Partei "Israel Beiteinu", Avigdor Lieberman, ein ehemaliger
Türsteher in einem Nachclub in Baku, gegen ihn läuft in
Israel seit Jahren ein Verfahren wegen Bestechung und Geldwäsche,
öffentlich in der Knesset forderte, arabische Knessetabgeordnete
zu liquidieren. Nun ist dieser Ultrarassist und gefährlichste
Politiker Israels Außenminister. Ein absolutes Armutszeugnis
für Israel und seiner radikal-fanatischen Regierung. Man möge
sich vorstellen, irgendein Mensch hier, abgesehen von Ministern, Abgeordnete
oder irgendwelchen Politikern, fordert hier so etwas. Nicht auszudenken.
Das kann ein Demokrat nie gut heißen und akzeptieren, geschweige
denn ein Sozialdemokrat.
Ich möchte
hier zu der "unmissverständlichen Warnung" anmerken,
dass israelischen Tageszeitungen zufolge, Israel einen blutigen Angriff
von Anfang an geplant hat, um alle weiteren Hilfskonvois abzuschrecken.
Also eine Abschreckungsmaßnahme, die im nach hinein den helfenden
Menschen nur noch mehr Entschiedenheit und Entschlossenheit verliehen
hat. Dass Israel allerdings soweit gehen würde, hat keiner der
begleitenden Personen, Bundestagsabgeordnete, Knessetabgeordnete,
Künstler, Schriftsteller u.v.a., international renommierte Persönlichkeiten,
die mit an Bord waren, mit diesem brutalen Angriff gerechnet und daher
nicht darauf vorbereitet waren. Für alle war das ein Überraschungsangriff
aus heiterem Himmel.
Übrigens
in dem selben Satz kommt der Bergriff: "so genannte Hilfsflotte"
vor. Bedeutet das etwa, Ihr zweifelt an dem humanitären Zweck
der Flotte? Was unterstellt Ihr den mutigen Menschen, die sehr große
Opfer gebracht haben, um das Leid der Hungernden in Gaza ein wenig
zu lindern? Wenn es so wäre, wäre das m.E. infam.
Mit dem
Angriff auf die Schiffe in internationalen Gewässern hat Israel
ohne jeden Zweifel das Seerecht grob verletzt. Israel sollte sich
demnächst hüten, wieder Hilfsschiffe zu kapern. Es isoliert
sich zusehends und macht sich langsam unerträglich für die
ganze Welt.
Auch
der folgende Satz: "Die Entscheidung der Initiatoren, das Angebot
der israelischen und der ägyptischen Regierungen auszuschlagen,
die Hilfsgüter an die Bedürftigen über die Landwege
zu verteilen, wirft die Frage nach den eigentlichen Motiven der Beteiligten
auf", kann so im Raume nicht unkommentiert stehen bleiben. Mit
Recht haben die beteiligten Personen es ausgeschlagen, da Ägypten
die Hälfte der Güter vom "Free Palestine Hilfskonvoi"
von George Galloway konfiszierte, und Israel würde genau so handeln.
Es beschlagnahmt nämlich alle Materialen für den Wiederaufbau,
aber auch viele andere Hilfsgüter dürfen nicht die Grenze
nach Gaza passieren und werden deshalb beschlagnahmt. Das hat Israel
in seinem letzten Überfall auf den Hilfskonvoi bewiesen. Durch
den international wachsenden Druck gab Israel alle Gefangenen frei
und wollte, nach Beschlagnahme von allen wichtigen Materialien für
den Wiederaufbau, die Hilfsgüter an Gaza weiter ausliefern. Die
dortige Regierung hat dies zu Recht abgelehnt und forderte Israel
auf, entweder alle Hilfsgüter oder gar nichts freizugeben. Ägyptens
Präsident Mubarak handelt nur auf amerikanischen Befehl, nach
den Wünschen Israels. Diesem Politiker kann man also nicht trauen,
zumal er mit der Beschlagnahme vertraut ist. Bis heute lässt
er keine Hilfssendungen, die ägyptische Parlamentarier organisieren,
nach Gaza durch.
Liebe
Genossinnen und Genossen, es wäre sehr zu begrüßen,
wenn Ihr euch an der nächsten humanitären Schiffssendung,
initiiert, geplant und wird durchgeführt von friedensliebenden
deutschen Juden "Juden für gerechten Frieden in Nahost",
beteiligen würdet.
Ihr schreibt:
"In diesem Zusammenhang traf auch die türkische Regierung,
unter deren Flagge das betreffende Schiff unterwegs war, eine besondere
Verantwortung, auf die Initiatoren deeskalierend zu wirken. Inwiefern
die Regierung von Recep Erdogan dieser Verantwortung gerecht wurde,
bleibt ebenfalls zu untersuchen". Ich muss betonen, dass ich
persönlich stets für Deeskalation bin, jedoch muss ich fragen,
wie können Initiatoren deeskalierend wirken, wenn sie überhaupt
nicht mit dieser überraschenden Gewalt gerechnet haben? Fest
steht, die israelische Armee hat die Schiffe außerhalb ihrer
Hoheitsgewässer angegriffen, wo das Seerecht grundsätzlich
die "Freiheit der Meere" garantiert und verbrieft. Augenzeugenberichten
zufolge, etwa zehn Minuten vor dem Überfall fingen israelische
Soldaten an, auf die Schiffe zu schießen. Die israelischen Soldaten
haben mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Alle Toten haben die Schusswunden
in Kopf oder Brust. Das kann nur mit Absicht geschehen sein. In diesem
Fall ist die Rede von einer kaltblütigen Hinrichtung nicht abwegig.
Und noch
etwas dazu bei dieser Gelegenheit: Es reicht, dass die Palästinenser,
um des Friedens Willen, auf 78 Prozent ihres historischen Landes zu
Israels Gunsten verzichtet haben. Aber nein, Israel will alles, außer
ein paar Fleckchen, auf denen die Palästinenser ihre Ghettos
errichten sollten. Ausnahmsweise hatte der palästinensische Präsident
Abbas neulich erkannt und erklärte, es gibt nichts mehr, worauf
die Palästinenser ihren Staat errichten können. Wiederum
gebe ich ihm ausnahmsweise Recht. Abraham Melzer, Herausgeber von
"DER SEMIT", hat es passend formuliert, während die
Palästinenser mit Israel über den Frieden in Palästina,
was er mit einer Pizza verglich, verhandeln, isst Israel die Pizza
auf und am Ende gibt es nichts mehr, worüber man verhandeln könnte.
Ich hätte gerne mit eurem Satz, aus dem letzten Absatz: "Wir bleiben dem Frieden und Erhaltung von Menschenleben verpflichtet! Menschenleben sind zu kostbar, um zu propagandistischen Zwecken missbraucht zu werden. Daran sollten sich alle Seiten in diesem Konflikt erinnern", als Schlusswort genommen, nur muss sich Israel daran erinnern, es soll das Völkerrecht, das Menschenleben und die Menschenrechte der Palästinenser nicht immer mit Füßen treten. Wir erinnern uns an den letzten Überfall auf Gaza, Ende 2008 Anfang 2009, der in allen Einzelheiten dokumentiert worden ist. Die Bilder sind noch vor unseren Augen, Israel hat dort international geächtete und verbotene Waffen gegen Kinder, Frauen und Greise eingesetzt. Das bleibt haften. Israel hält immer noch das Land der Palästinenser seit über 43 Jahren besetzt. Es enteignet, nimmt das Wasser weg, schikaniert, demütigt, entwürdigt, zerstört lebenswichtige Plantagen, exekutiert außergerichtlich, bestraft kollektiv, mordet, baut eine Apartheidmauer, sperrt die Palästinenser in Ghettos ein, und würgt die Wirtschaft ab usw. Die Liste Unmenschlichkeiten kann beliebig weitergeführt werden.
Ich hätte gerne mit eurem Satz, aus dem letzten Absatz: "Wir bleiben dem Frieden und Erhaltung von Menschenleben verpflichtet! Menschenleben sind zu kostbar, um zu propagandistischen Zwecken missbraucht zu werden. Daran sollten sich alle Seiten in diesem Konflikt erinnern", als Schlusswort genommen, nur muss sich Israel daran erinnern, es soll das Völkerrecht, das Menschenleben und die Menschenrechte der Palästinenser nicht immer mit Füßen treten. Wir erinnern uns an den letzten Überfall auf Gaza, Ende 2008 Anfang 2009, der in allen Einzelheiten dokumentiert worden ist. Die Bilder sind noch vor unseren Augen, Israel hat dort international geächtete und verbotene Waffen gegen Kinder, Frauen und Greise eingesetzt. Das bleibt haften. Israel hält immer noch das Land der Palästinenser seit über 43 Jahren besetzt. Es enteignet, nimmt das Wasser weg, schikaniert, demütigt, entwürdigt, zerstört lebenswichtige Plantagen, exekutiert außergerichtlich, bestraft kollektiv, mordet, baut eine Apartheidmauer, sperrt die Palästinenser in Ghettos ein, und würgt die Wirtschaft ab usw. Die Liste Unmenschlichkeiten kann beliebig weitergeführt werden.
Nun der
allerletzte Satz: " Auch gilt es gerade in Deutschland mit aller
Kraft zu verhindern, dass die tragischen Ereignisse im Mittelmeer
zu einem Vorwand für die Verbreitung von antisemitischer und
israelfeindlicher Haltung missbraucht werden", den hätte
man sich wirklich sparen können. Müssen wir in der Tat mit
der "Antisemitismuskeule" à la Henryk M. Broder stets
um uns schlagen, um jede Kritik an der menschenverachtenden Politik
Israels mundtot zu machen? Israel muss menschlicher werden, sich in
die Weltgemeinschaft einfügen und den Palästinensern ihr
Selbstbestimmungsrecht, was ihnen von der Staatengemeinschaft garantiert
ist, zugestehen. Damit kann jede Antihaltung gegen Juden oder gegen
Israel von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. So einfach ist
das.
Liebe
Genossinnen und Genossen, es stünde jedem gut zu Gesicht, wenn
er öffentlich, laut und in aller Deutlichkeit ein "Unrecht
als Unrecht" bezeichnen würde. Von aufrechten SozialdemokratenInnen
möchte ich das als eine Selbstverständlichkeit empfinden.
Auf dieser Basis kann eine fruchtbare Diskussion, die zum Wohle Israels
und Palästinas ist, geführt werden.
Mit solidarischen Grüßen
Dr. Izzeddin
Musa
Ein echter Semit, geboren in Haifa
Ein echter Semit, geboren in Haifa
Wachtberg Juni 2010
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