Der „Stahlhelmjude“: Professor Michael Wolffsohn und Konsorten!!
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21039
Einer entdeckt sein Zionistensein, mit dem er Einfluss schinden kann, besonders in "Deutschland"!!!
Er kann sich, als Umwandler, diesmal als Zionist, seine Unverschämtheiten erlauben!?!
J'accuse!
VON PROFESSOR DR. MICHAEL WOLFFSOHN
AKTUALISIERT AM 28.06.2004-15:35
Der Historiker Michael Wolffsohn erhebt in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schwere Vorwürfe gegen seine Kritiker und verteidigt seine Thesen in der Debatte über die Anwendung von Folter in Extremsituationen.
Nie wieder
Täter - ein deutsches Credo. Nie wieder Opfer - so lautet die Lehre der Juden
aus der Geschichte. Man ist damit so weit auseinander wie je. Auch heute gilt:
Die Juden können, selbst wenn sie es wollten, dem Jüdisch-Sein nicht entfliehen
- denn die anderen lassen sie nicht. Herzls Einsicht spiegelt sich in der
aktuellen Debatte über Israels Sicherheitspolitik und über das Für der Folter wider. Eine analytische und persönliche
Rückschau.
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Es war einmal ein total assimilierter Jude, der 1860 in Budapest geboren wurde, erstmals 1897 keinen Weihnachtsbaum aufstellte, sondern Kerzen des neunarmigen Chanukka-Leuchters anzündete, deutsch-österreichischer Patriot war und Zionist wurde - der Zionist: Theodor Herzl. Seines hundertsten Todestages gedenken wir in diesen Tagen.
Es war einmal ein 1947 in Israel geborener
deutsch-jüdischer Patriot, der trotzdem Zionist im Sinne fester
Israel-Verbundenheit war und es in jüngster Zeit noch mehr wurde: ich. Nicht
aus Unbescheidenheit sei hier von mir die Rede. Meine persönlichen Erfahrungen
der jüngsten Zeit verdeutlichen, wie mir scheint, die Gegenwärtigkeit und
Wirksamkeit Herzls.
"Wir sind ein Volk, ein Volk." In der
Einleitung seines 1896 erschienenen Klassikers "Der Judenstaat"
finden wir diesen zeitlos gültigen Satz. Nicht alle Juden haben die gleiche
Staatsbürgerschaft, und nur etwa ein Drittel aller Juden lebt heute im
"Judenstaat" Israel. Dennoch: "Wir sind ein Volk, ein
Volk." Was immer "es" ausmacht: Religion, Tradition, Geschichte,
Verfolgung, Verbundenheit, großfamiliäre "Blutsbande",
Alltagsgemeinschaft - unser Wir-Gefühl ist ebenso unbestreitbar wie die hieraus
abgeleitete Wir-Ihr-Abgrenzung. Ob religiös oder nicht, zionistisch oder nicht,
jüdisch engagiert, distanziert oder indifferent - wir sind und bleiben Juden,
ob wir es wollen oder nicht.
Beispiele aus der Gegenwart: Wohlwollende deutsche Nichtjuden - und die meisten deutschen Nichtjuden sind heute durchaus wohlwollend - sagen, wie wir in Deutschland lebende Juden (oder deutsche Juden oder jüdische Deutsche oder, oder, oder), über den jeweiligen Bundeskanzler: "Das ist unser Kanzler." Zugleich aber sagen sie uns Juden: "euer Ministerpräsident Scharon" oder "euer Präsident Katzav". Die meisten wohlwollenden Nichtjuden betrachten uns gerne als Deutsche, doch Israel nennen viele von Ihnen "eure Heimat", und die vermeintlich allmächtige "US-jüdische Lobby" ist auch in den Augen der wohlwollenden "eure Lobby", die (so die Wahrnehmung) die Politik von Bush und Scharon vorbehaltslos unterstützt. Schon diese:Beispiele zeigen: Auch heute ist für Juden jeglicher jüdischer Färbung und nationalstaatlich kultureller Prägung eine Flucht aus der nationaljüdisch-weltjüdisch israelischen Gemengelage unmöglich.
Zunächst wollte auch Herzl dem Jüdisch-Sein
entfliehen, sogar Massentaufen von Juden im Wiener Stephansdom hatte er als
"Lösung der Judenfrage" zunächst vorgeschlagen. Bald erkannte er die
Aussichts- und Ausweglosigkeit jeglicher Flucht oder Assimilation -
Assimilation als nicht nur äußerliche, sondern auch verinnerlichte
Totaldistanzierung von Juden und Judentum. Das assimilierte deutsche und
westeuropäische Judentum erlitt diese Erfahrung im Holocaust.
Abgesehen von der Unmöglichkeit einer
Flucht - sie wäre töricht. Weshalb sollten wir Juden freiwillig auf eine der
Hochkulturen dieser Welt verzichten: auf unsere? Weshalb sollten wir Juden auf
unsere Religion zugunsten des Christentums oder des Islams verzichten, die
beide auf dem Judentum basieren? Weshalb sollten wir Juden in die Welt des
Abendlands fliehen, die entscheidend jüdisch geprägt ist, auch wenn sie es
nicht mehr weiß?
Ein Volk, ein Volk
Die anderen Völker, auch das deutsche Volk
(das sich, politisch korrektelnd, lieber als "Deutsche Bevölkerung"
bezeichnet), auch das "Deutsche Volk" ist heute mehr oder weniger
bereit, uns zu akzeptieren und zu integrieren. Aber dennoch bleiben wir für
Deutsche und andere Nichtjuden "die Juden", also doch
Die-irgendwie-Anderen. Und wir selbst? Auch wir, seien wir noch so
"deutsch" oder "englisch" oder "amerikanisch"
oder "französisch", auch wir verstehen uns nicht zuletzt als Juden,
als "Juden in Deutschland" oder "deutsche Juden" oder
"deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens".
Unser Irgendwie-Anderssein wollen wir
selbst nicht ablegen, selbst wenn es die anderen zuließen. Doch sie lassen es
nicht zu, auch unsere besten Freunde nicht, die wirklichen ebenso wie die
vermeintlichen Freunde. Wir sind wie die anderen und sind doch anders. Wir
wollen das, und die wollen das.
Fazit: 1896 war Herzls Satz "Wir sind
ein Volk, ein Volk" gerade innerjüdisch höchst umstritten. Die Geschichte
hat Herzl recht gegeben, und deshalb gilt dieser Grundsatz Herzls für uns Juden
der Diaspora ebenso wie für die Juden Israels.
Für sein Volk, unser Volk, wollte Herzl ein
Land. Nicht irgendein Land, sondern Eretz Israel, das Land Israel. Herzl dachte
auch an Argentinien, später an den Raum um El-Arisch auf der Sinai-Halbinsel,
dann auch an Uganda, weshalb manche von Herzls innerzionistischen Kritikern
seine Gegner und teilweise sogar Feinde wurden. Dennoch: Uganda und alle
anderen Regionen waren taktische Varianten und nicht das strategische Ziel.
Strategisches Ziel blieb Eretz Israel.
Volk und Land waren also die zentralen
Kategorien der Herzlschen Gedanken und Taten. Damals wurde Herzl auch
innerjüdisch dafür und deswegen bekämpft, heute sind Volk und Land Israel für
den Großteil der jüdischen Gemeinschaft außerhalb und innerhalb Israels von
geradezu axiomatischer Zentralität. Sie bilden die Grundlage des jüdischen
heutigen Seins und Bewußtseins; auch für die Diasporajuden, die nicht in Israel
leben wollen, es jedoch als Lebensversicherung betrachten und dafür ihren
materiellen oder ideellen oder materiellen und ideellen Beitrag leisten. Sie
wollen ihn leisten, weil allein diese Grundlage ihnen existentielle Sicherheit
als Juden gibt, sowohl ideell als auch materiell. Herzl lebt, weil sich seine
Sichtweise der jüdischen Welt in der jüdischen Welt und durch die
Weltgeschichte durchgesetzt hat.
Für Franz Rosenzweig, neben Martin Buber der wohl bedeutendste jüdische Religionsphilosoph des 20. Jahrhunderts, war (in seinem Schlüsselwerk "Der Stern der Erlösung", Erstausgabe 1921) jüdisches Sein und Überleben nicht vom Land abhängig, sondern vom Zusammenhalt des Volkes. Die Begriffe des großen Menschenfreundes Rosenzweig klingen heute für Unwissende wie Vokabeln aus dem Wörterbuch nationalsozialistischer Unmenschen. Das ist ganz und gar falsch, erklärt aber auf einen Schlag, daß und weshalb der Abgrund zwischen Juden und Nichtjuden "nach Auschwitz" und trotz Auschwitz auch unter wechselseitig wohlgemeinten Vorzeichen groß ist.
Rosenzweig: "Nur das Blut gibt der
Hoffnung auf die Zukunft eine Gewähr in der Gegenwart. Jede andre, jede nicht
blutmäßig sich fortpflanzende Gemeinschaft kann, wenn sie ihr Wir für die
Ewigkeit festsetzen will, es nur so tun, daß sie ihm einen Platz in der Zukunft
sichert; alle blutlose Ewigkeit gründet sich auf den Willen und die Hoffnung."
Allein die "Blutgemeinschaft", also das Volk als blutsverwandte,
biologisch nationale Gemeinschaft, so Rosenzweig, gewähre "Ewigkeit".
Der Philosoph weiter: Eine solche
"Blutsgemeinschaft" brauche "den Geist nicht zu bemühen; in der
natürlichen Fortpflanzung des Leibes hat sie die Gewähr ihrer Ewigkeit".
Blut ohne Geist, Blut statt Geist, also jüdisches Dasein rein biologisch und
ohne inhaltliches Sein? Sollte Rosenzweig das wirklich gemeint haben? Nur so
viel: Das allein wäre an inhaltlich Jüdischem zu wenig, weil biologistisch. Bei
der Person Rosenzweig fehlten diese Inhalte gewiß nicht, für das jüdische
Kollektiv reicht die "Stimme des Blutes" nicht. Sie formuliert keine
Inhalte und wirkt deshalb blutleer.
Für heutige Köpfe und Herzen, jüdisch oder nicht, sind solche ums Blut kreisenden Worte und Gedanken eine Ungeheuerlichkeit, sie klingen nach "Blut und Boden", also nach Nationalsozialismus. Irrtum! Erstens meint Rosenzweig mit "Blut" nichts anderes als den Umstand, daß wir Juden mehr als nur gedanklich eine Art Großfamilie sind. Wenn und wo "Blut" verbindet, ist man miteinander verwandt, und weil verwandt, auch miteinander verbunden, ob man will oder nicht. Zweitens meint Rosenzweig nicht "Blut und Boden". Ganz im Gegenteil. Er meint, daß die Verwandtschaft der Juden auch ohne Boden, ohne Land, Verwandtschaft bleibt. Für die anderen "Völker der Welt" gelte, so Rosenzweig wörtlich: "Am Boden und seiner Herrschaft, dem Gebiet, klammert sich ihr Wille zur Ewigkeit fest. Um die Erde der Heimat fließt das Blut ihrer Söhne; denn sie trauen nicht der Gemeinschaft des Bluts, die nicht verankert wäre in dem festen Grund der Erde." Anders die Juden, nach Rosenzweig: "Wir allein vertrauen dem Blut und ließen das Land."
Und das Land Israel, Eretz Israel?
Rosenzweig antwortet: Es sei "im tiefsten Sinn" nur als "Land
der Sehnsucht", als - "heiliges Land" zu verstehen. Und wenn
Juden im Heiligen Land leben, so sei es doch Gottes Land, das dem "unbefangenen
Zugriff" aller Menschen einschließlich der Juden verwehrt bleibe. Das
alles ist klarer, als es klingt. Rosenzweig wollte folgendes sagen: Wir Juden
sind eine große Familie, "wir Juden sind ein Volk, ein Volk", doch
wir brauchen kein Land, um Juden zu sein, zu bleiben, zu überleben.
Nein, hatte Herzl früher gesagt und bis
heute nicht nur wegen des Holocaust recht behalten: Ohne jüdisches Land kein
jüdisches Volk, kein jüdisches Überleben, weil ohne jüdisches Land jüdisches
Blut ungehindert, unbehindert, ungesühnt und ungestraft vergossen wird.
Schon vor dem millionenfachen Judenmord hat Herzl "Nie wieder!" gesagt. Nie wieder Opfer! Die meisten Juden haben seit 1896, seit dem Erscheinen von Herzls "Judenstaat", trotz Franz Rosenzweig und "nach Auschwitz" aus der Geschichte eines gelernt: Nur als Volk und mit Land für unser Volk können wir als Juden überleben, in Israel und in der Diaspora. Noch einmal: "Der Judenstaat", Israel, ist unsere Lebensversicherung. Herzl sei Dank. Vor allem deshalb gilt: Herzl lebt. Er lebt in uns, und er lebte für uns.
"Die Notlage der Juden wird niemand
leugnen." So beginnt das Kapitel "Die Judenfrage" in Herzls
"Judenstaat", eines Buches, das in einer Zeit wilder und brutaler
Judenverfolgungen und -diskriminierungen entstand. Diese Antisemitismen waren
auch zu Herzls Zeit nicht auf Österreich, Deutschland, Rumänien, Rußland und
Frankreich begrenzt, wo Herzl 1894/95 den Prozeß gegen Alfred Dreyfus
miterlebte und miterlitt. "Man wird uns nicht in Ruhe lassen", so
Herzl im "Judenstaat". Die Not war damals groß, sie wurde von 1933
bis 1945 unendlich größer. Doch selbst "durch Druck und Verfolgung sind
wir nicht zu vertilgen", hatte Herzl in der Einleitung des Judenstaates
vorhergesagt. Vor seinem Kampf hätte es Hitler lesen sollen. Er hätte uns
Juden, den Deutschen, der Welt, auch sich selbst Höllisches erspart.
Schon vor der Schoa hatte Herzl, ebenfalls
in seinem prophetischen und (anders als "Altneuland") auch heute gut
lesbaren Buch "Der Judenstaat", geschrieben: "Die lange
Verfolgung hat unsere Nerven überreizt." Nach Auschwitz sind unsere
Nerven, auch die Nerven der jüdischen Nach-Holocaust-Generationen,
"überreizt", in Israel und in der Diaspora. Deshalb haben die meisten
heutigen Juden Herzls "Nie wieder!", das er allein politisch und
diplomatisch und somit gewaltlos sichern wollte, um die militärische Komponente
erweitert.
Sie haben Herzl nicht verändert, sondern
dem Fortgang der inzwischen noch mehr blutgetränkten jüdischen und israelischen
Geschichte angepaßt. Der neujüdische Konsens billigt daher die Gewaltkomponente
nicht nur reaktiv, sondern notfalls auch präventiv, also vorwegnehmend. Für den
politischen Zweck unseres Überlebens, in Notwehr, befürworten wir die Androhung
und notfalls, notfalls, notfalls die Anwendung von Gewalt, also auch Krieg. Und
die Gewalt des Terrors beantworten wir mit Gegengewalt, was wir für legitim
halten; legitim, also "gerechtfertigt" beziehungsweise
"vertretbar oder "befürwortbar".
Was legitim beziehungsweise vertretbar ist,
ist denkbar, muß oder darf aber nicht unbedingt machbar oder erlaubt sein.
Anders formuliert: Was legitim ist, ist weder automatisch legal, also Rechtens
und dem geltenen Recht entsprechend. Und was eine Gesellschaft oder ein Staat
möglicherweise rechtfertigt, ist noch lange kein geltendes Recht. Das ist
vereinfacht, der neujüdische, Nach-Herzlsche Konsens, die Mehrheitsmeinung.
Dieser heutigen jüdischen Mehrheitsmeinung widerspricht die gegenwärtige Mehrheitsmeinung der Nichtjuden fundamental, besonders in Deutschland. Ich habe das während der zurückliegenden Wochen hautnah und geradezu unter die Haut gehend erfahren müssen, nachdem ich im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrors jene neujüdische Mehrheitsmeinung zumindest zu bedenken gab.
"Die Deutschen", jawohl, die meisten Deutschen, also "die" Deutschen, sagen nach dem Holocaust auch "Nie wieder!". Doch sie meinen: "Nie wieder Täter!". Deshalb lehnen sie Gewalt als Mittel der Politik kategorisch ab. Das ist ebenso verständlich wie sympathisch und bringt sie uns näher. Meinen sie, hoffen sie. Das Gegenteil ist der Fall. Wie die Deutschen aus ihrer Geschichte lernten, nie wieder Täter sein und Gewalt anwenden zu wollen, so haben wir Juden gelernt, daß wir Gewalt anwenden müssen, um nicht und nie wieder Opfer zu sein. Wieder, doch unter ganz anderen Vorzeichen, verstehen "die Deutschen" unsere jüdische Welt nicht mehr - und wir nicht die Welt der Deutschen. Jede Seite hat aus ihrer Geschichte die Schlußfolgerungen gezogen - und wieder sind wir so weit voneinander entfernt wie zuvor, wie zu Herzls Zeiten. Nein, einen neuen Holocaust müssen wir nicht befürchten; Kritik, Entfremdung, Verärgerung, Haß aber durchaus. Sicher ist sicher, und daher ist Israel für uns als Juden sicher, wenngleich nicht als Staat, der nach wie vor existentiell gefährdet ist und tödlich bedroht wird.
Ob Gewalt, nur Volk oder Volk und Land,
diese drei Kategorien des Herzlschen sowie des neujüdischen Seins und
Bewußtseins entfernen und entfremden uns von den meisten Nichtjuden, besonders
in Deutschland. Die meisten nichtjüdischen Deutschen haben nämlich aus
derselben Geschichte, doch natürlich aus ganz anderer Perspektive über
"Volk und Land" und Gewalt dies gelernt: Volk und Land und Gewalt als
zentrale Kategorien garantieren nicht das Überleben, sondern die Vernichtung
von Völkern.
Daß wir die Welt anders sehen und fest
daran glauben, unser und der Welt Überleben anders als sie zu sichern, empört
immer mehr Nichtjuden in der westlichen Welt, besonders in Deutschland. Das ist
in ihren Augen bestenfalls verständlich, doch im Kern verwerflich. Noch
verwerflicher ist in ihren Augen die Tatsache, daß für Israelis und
Diasporajuden die Vereinigten Staaten der einzige verläßliche Partner in unserem
Überlebenskampf sind. Ob Truman oder Kennedy, Nixon, Clinton, Bush senior oder
Bush junior, amerikanische Präsidenten kommen und gehen, auch die von ihnen
gelösten oder verursachten Probleme - unsere unumstößliche Verbundenheit
bleibt. Auch deswegen sind wir in einem bestenfalls gaullistischen,
schröderisch-fast-wilhelminisch antiamerikanischen Westeuropa mit unserer
Weltsicht Fremdkörper.
Sie meinen es wirklich gut
Nicht nur Empörung, auch Haß ernten wir
dafür. Israel und Scharon gegenüber ist der Haß, jenseits legitimer Kritik,
offen, gegenüber deutschen Juden, die Israels Haltung wenigstens analytisch
erklären, ist der Haß verdeckt, doch vorhanden. Ich habe es in den vergangenen
Wochen erlebt.
Herr Westerwelle nimmt mir übel, daß ich im
Jahre 2002 den Juden empfohlen hatte, nicht die FDP zu wählen. Warum? Wegen
ihres antijüdischen Neuzugangs Karsli und wegen der antisemitischen
Anti-Friedman-Anti-Scharon-Kampagne von Jürgen Möllemann, bei der Westerwelle zunächst
bedenklich passiv geblieben war.
Die PDS hat mein Buch "Die
Deutschland-Akte" und Forschungsergebnisse meiner Doktoranden nicht
vergessen, die erstmals und systematisch die antisemitische Juden- und
Israel-Politik der DDR dokumentierten und analysierten.
Die SPD verübelte mir besonders, daß ich öffentlich die Frage gestellt habe, warum die Bundesregierung am Vorabend des Irak-Krieges 2003 trotz gegenteiliger Analysen des Budesnachrichtendienstes so sicher war, Saddam hätte keine Massenvernichtungswaffen.
Woher wußte die Bundesregierung mehr als
ihr Nachrichtendienst? Oder urteilte sie, möglicherweise nicht einmal falsch,
aus dem Bauch heraus, gegen den eigenen BND, den man gegenwärtig für teures
Geld von Pullach nach Berlin umziehen läßt?
Ein Jahr nach dem Irak-Krieg hatte
ich, Hans Magnus Enzensberger ähnlich (bekanntlich ein
Nichtjude), den Waffengang positiv bilanziert: Saddam, der blutrünstige
Diktator verjagt; Libyen rüstet atomar, biologisch und chemisch ab; der Iran
läßt über nukleare Abrüstung, wie Nordkorea, erstmals mit sich reden.
Daß sich Bundesaußenminister Joseph ("Joschka") Fischer wie sonst
kaum jemand in Deutschland für Israel engagiert, weiß ich, schätze ich,
schätzen wir Juden. Trotzdem darf, ja muß man auch darauf hinweisen, daß
jemand, der vor rund dreißig Jahren auf einen am Boden liegenden Polizisten
brutal einschlug, heute als Personifizierung von Recht, Moral und polizeilich
staatlicher Bekämpfung rechtsextremistischer und anderer Gewalttäter nicht
sonderlich überzeugend ist. Weshalb? Weil die Botschaft an die gegenwärtigen
Nazis lautet: heute Gewalttäter, morgen oder übermorgen Bundesminister. Gerade
als deutscher Jude darf man auch erwähnen und, wie ich, herausfinden, daß
derselbe Joseph Fischer 1969 bei der PLO in Algier Jassir Arafats
Vernichtungsaufruf gegen Israel bejubelt hatte und nun, gut und schön,
Wiedergutmachung leistet. Unter grünen Vorzeichen kopiert Joseph Fischer den
einst braunen Staatssekretär der Adenauer-Ära, Hans Globke: projüdische und
proisraelische Politik als Wiedergutmachung des vorangegangenen
Kontrastprogramms.
Man hatte also gute Gründe, gegen mich als Ruhestörer, jüdisch oder nicht (wenngleich vor allem jüdisch motiviert), vorzugehen und meinen Kopf zu fordern, meine beamtete Professur einzufordern, also meine und meiner Familie Existenzgrundlage zu zerstören.
Wie befruchtend Juden als Ruhestörer in
Deutschland für Deutschland wirkten, wird in der deutschen
Wiedergutmachungslitanei stets besungen. Dieses Hohelied wird aber nur toten
Juden gesungen. Lebende Ruhestörer, Juden oder Nichtjuden, stören eben und
müssen mundtot gemacht werden, gegebenenfalls indem ein oder zwei Sätze
manipulativ aus dem Zusammenhang gerissen und der Bevölkerung eingehämmert
werden. Eine Hetzjagd begann, und dabei waren die Jäger bereit, sich sogar über
Artikel 5 des Grundgesetzes hinwegzusetzen, der die Meinungsfreiheit sowie die
Freiheit von Forschung und Lehre garantiert. Diese gilt für Professoren an
Universitäten der Bundeswehr wie für jeden anderen Professor. Für Ewige Nazis
und Islamisten war jene letztlich gesetzeswidrige Treibjagd in den erwünschten
existentiellen Abgrund eine willkommene Gelegenheit, mich mit Liebesbekundungen
einschließlich zahlreicher Morddrohungen und vulgärer Antisemitismen zu
beglücken. Die besorgten Sicherheitsorgane kontaktierten mich von sich aus. Sie
löffelten pflichtbewußt die Suppe aus, die ihnen pflichtvergessen, gedankenlos,
doch gezielt die Spitzen des deutschen Staates aufgetischt hatten.
Anders als zu Herzls
Zeiten oder gar im "Dritten Reich" strömte mir aus der nichtjüdischen
Bevölkerung trotz und wegen der manipulativen Treibjagd eine große Welle der
Sympathie entgegen. Von Bekannten und Unbekannten erhielt ich mehr als tausend
Zuschriften, Anrufe, Danksagungen. Umfragen, neue wie ältere, dokumentieren
breite Zustimmung in der Bevölkerung. Ich habe, wir Juden haben es heute besser
als Herzl. Den neuen Deutschen, dem neuen Deutschland sei dafür Dank.
Aber - und das war bislang einzigartig in
der bundesdeutschen Geschichte: Angehörige der Bundesregierung geben einen
ihrer Bürger, zumal einen jüdischen, regelrecht zum Abschuß frei. Einen
jüdischen Bürger, der 1970, im Anschluß an seinen freiwilligen Wehrdienst in
Israel, aus dem "Judenstaat" nach Deutschland zurückkehrte. Dieser
jüdische Rückwanderer, der sich mehrfach und öffentlich als deutschjüdischer
Patriot bezeichnet hatte, dürfte er sich zudem als deutscher Beamter auf die
Fürsorgepflicht seines Dienstherrn, in diesem Falle des
Bundesverteidigungsministers, verlassen können? Nichts davon war zu spüren.
Braune und islamistische Terroristen fühlten sich von echten deutschen
Demokraten ermutigt. Das habe er nicht ahnen können, erklärte mir
Bundesverteidigungsminister Struck in unserem Gespräch, zu dem er mich
eingeladen und nicht, wie von ihm und den Medien verbreitet,
"einbestellt" hatte. Er hätte es wissen müssen, entgegnete ich, weil
er als Politiker seine Gesellschaft kennen und steuern müsse. Auch er erhalte
ständig Morddrohungen, wiegelte Struck ab.
Nein, Struck und die meisten meiner
Kritiker sind keine Antisemiten. Sie meinen es wirklich gut mit uns Juden im
allgemeinen und dem "Judenstaat" im besonderen. Peter Struck
oder Joschka Fischer sind Freunde Israels und
Judenfreunde. Sie organisieren mit oder ohne die OSZE eine Demonstration und
Konferenz nach der anderen gegen Antisemitismus, über und für uns Juden. Aber
sie verstehen uns und unsere Gefährdung offenbar trotzdem nicht. Sie
"wissen nicht, was sie tun".
Angesichts dieses seltsamen, wohlgemeinten,
doch wie ein Bumerang wirkenden Schutzes wurde mir klarer denn je: Nur Israel
verleiht uns Juden Sicherheit als Juden. Gewiß, in Israel können wir Opfer von
Terror und Krieg werden. Aber dort kennt jede Regierung, mit und ohne Scharon,
wenigstens die Geister, die uns gefährlich sind und werden können.
Das galt dem Juden
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag bilanzierte die
"Folterdebatte" über meine Person und sprach von einer
Verleumdungskampagne, die immer deutlicher antisemitische Züge trage. Man kann
die bittere Einschätzung Jerzy Montags mühelos belegen: Von der Legitimität der
Folter gegen, ich vereinfache, einen Terroristen mit "tickender
Bombe" hatte schon der bedeutende deutsche Soziologe Niklas Luhmann 1992
in seiner berühmten "Heidelberger Vorlesung" gesprochen. Die
wichtigste Kommentierung des Grundgesetzes ist der sogenannte
"Maunz-Dürig-Herzog". In der neuesten Auflage aus dem Jahre 2004 wird
sogar Artikel 1 des Grundgesetzes, der unantastbaren Würde des Menschen
geltend, für Notsituationen relativiert. Folter als Notwehr wird nicht nur
legitimiert, sondern quasi legalisiert. Bundesinnenminister Otto Schily ist
sogar bereit, die Todessehnsucht von Terroristen zu erfüllen: Wenn sie den Tod
wollten, könnten sie ihn haben.
Die meisten meiner Jäger
haben am 18. Juni 2004 (zu Recht und dankenswerterweise) das
"Luftsicherheitsgesetz" und das Gesetz zur nächträglichen
Sicherungsverwahrung im Bundestag verabschiedet. Das alles betrifft Legalität
und geht erheblich weiter als mein Nachdenken über die Legitimität der Folter in
Notwehrsituationen. Mein Nachdenken steht in der ethischen Tradition des
Abendlands. Ich nenne die Stichworte: Tyrannenmord, Widerstandsrecht (Artikel
20 Absatz 4 Grundgesetz), finaler Rettungsschuß. Gibt es Denkverbote in
Deutschland?
Mein Nachdenken wird auch von der Halacha,
dem jüdischen Religionsgesetz, gestützt. Auch deshalb standen in den
vergangenen Wochen zahlreiche in- und ausländische Rabbiner an meiner Seite,
auch der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie weite Teile der
diasporajüdischen und israelischjüdischen Gemeinschaft. Erwähnen und danken
möchte ich auch zahlreichen christlichen Geistlichen und Theologen, allen voran
dem Katholiken Eugen Biser und dem Protestanten Richard Schröder, die meine
Gedanken zur Folter bei extremer Notwehr verstanden und auch christlich zu-
oder einordnen konnten.
Kaum jemand hat sich über jene Gedanken und Handlungen der erwähnten Nichtjuden aufgeregt. Nur mein Nachdenken löste eine Haupt- und Staatsaktion aus. Warum? Wenn ich nur als Jude und weil Jude jene Kampagne überstehen konnte, wie sehr ernst zu nehmende Persönlichkeiten schrieben, gibt es nur einen Grund: Die Kampagne zielte auf den Juden, einen Juden, der grundsätzlich und eindeutig proisraelisch ist, wenngleich durchaus punktuell Israel-kritisch; einen Juden, der grundsätzlich ein Freund und nur punktuell ein Kritiker der Vereinigten Staaten ist. Jeder Nichtjude konnte unbehelligt Thesen vertreten und sogar Gesetze beschließen die meinen nur nachdenkenden Gedanken entsprachen. Keinem der erwähnten Nichtjuden, der sie vortrug, wurde ein Haar gekrümmt, kein Hahn krähte, die Sache wurde diskutiert, nicht die Person als Person attackiert, ich wurde verfolgt. Das kann nur dem Juden gegolten haben.
Mein deutschjüdischer Patriotismus? Über
den vergeblichen Patriotismus der Juden in nichtjüdischen Staaten hatte Herzl
einleitend im "Judenstaat" geschrieben: "Vergebens sind wir
treue und an manchen Orten sogar überschwengliche Patrioten . . . vergebens
bemühen wir uns, den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaft,
ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in
denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge
ausgeschrieen."
Für Herzl war die "Judenfrage"
weder eine soziale noch religiöse, sondern eine "nationale Frage".
Man wird in seine Nation hineingeboren, lateinisch "natus". Die
Judenfrage betrifft unser jüdisches Dasein, den Alltag, unser erlebtes
Wir-Gefühl. Unser jüdisches Sein, unser lebendiges, selbstbestimmt inhaltliches
Wir-Gefühl, werden wir ohne unsere Religion, jüdische Kultur, Philosophie und
Tradition nicht ausfüllen, weil die Stimme des Blutes und negative
Fremdbestimmung durch Verfolgung substantiell blutleer bleiben.
Mit oder ohne selbstbestimmte jüdische
Inhalte: Die Flucht von Juden aus Judentum und jüdischer Gemeinschaft bleibt im
jüdischen Dasein, wie Herzl zu Recht sah und sagte, ausgeschlossen, und lebende
jüdische Ruhestörer sind auszuschließen, so die Sicht der nichtantisemitischen
nichtjüdischen Entscheidungsträger, oder gar abzuschießen, so die ewige Sicht
der Ewigen Antisemiten.
Daran hat sich seit Herzl nichts geändert.
Das beklagen wir, das beklage ich, und deshalb klage ich an, wie Herzls
Zeitgenosse Émile Zola am 13. Januar 1898 im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre.
"J'accuse . . . !" Ich klage an.
Der
Verfasser lehrt Geschichte an der Universität der Bundeswehr München.
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