Wachtberg, August 2005
Sehr geehrter Herr Außenminister Dr. h.
c. Fischer,
da sich nun Ihre Amtszeit dem Ende
nähert, möchte ich Ihnen als Deutsch-Palästinenser schon einmal für Ihren
unermüdlichen Einsatz für die Interessen meines Volkes danken. Sie waren immer
zur Stelle, als es darum ging, Terroranschläge zu verurteilen. Wie ich mich
erinnere, haben Sie immer nur diejenigen der Palästinenser verurteilt, zum
Staatsterror Ihres Freundes Ariel Sharon, an dessen Händen mehr Blut klebt als
an denen Yassir Arafats, der nur für die Freiheit und Unabhängigkeit seines
Landes und Volkes gekämpft hat, aber immer geschwiegen. Wir vergessen nicht
Quiba, Sabra und Shatila, die Kriegsverbrechen in Dschenin (ai und HRW) und den
Vandalismus der israelischen Armee von 2001 bis heute. Waschen Sie sich
eigentlich nach einer Begrüßung mit Sharon nie die Hände wie weiland Pilatus?
Ich möchte aber nicht Ihre Verdienste
in jungen Jahren für das palästinensische Volk unerwähnt lassen, als Sie
zusammen mit Daniel Cohn-Bendit 1969 am PLO-Kongress in Algier teilgenommen
haben, an dem angeblich die Liquidierung des „zionistischen Gebildes“
beschlossen worden ist; aber wie wir wissen, haben Sie ja damals „geschlafen“,
da Sie, wie Ihre begleitenden Freunde behaupteten, angeblich ermüdet von einer
Sight-Seeing-Tour zurückgekehrt waren. Die Bilder in der deutschen Presse
zeigten aber einen überaus munteren „Kämpfer für die palästinensische Sache“. Sie
wissen selbst zu gut, dass Sie sich nur im Amt des Außenministers halten und
diese und die Frankfurter Affären überleben konnten, weil der amerikanische und
der israelische Geheimdienst entlarvende Fotos von Ihren Gewaltexzessen u. a.
in Frankfurt nicht veröffentlichten wollte. Ihre Dankbarkeit gegenüber Israel
ist deshalb nur allzu verständlich. Sie erinnern sich bestimmt auch an die
Ermahnungen Ihres guten Freundes Colin Powell, auf die Sie auf einer
Pressekonferenz in Washington folgendermaßen reagiert haben; „Wir haben unsere
Freunde nicht zu kritisieren.“
Nachdem Sie von israelischen
Universitäten mit Doktorhüten überhäuft worden sind und jüdisch-zionistische
Organisationen Ihnen eine Ehrung nach der anderen nachgeworfen haben, brauchen
Sie sich wohl über Ihre weitere Zukunft keine Sorgen zu machen. Freunde lassen
Freunde gewöhnlich nicht fallen, wie man im Falle Friedmann sehen kann, der
wahrscheinlich durch den Volmer-Erlass im Intercontinental Hotel in Berlin wohl
auch profitiert haben dürfte. Da Sie leider nun nicht mehr der erste
europäische Außenminister werden können, ist zu vermuten, das Sie
höchstwahrscheinlich von Ihren israelischen Freunden standesgemäß versorgt
werden. Sie haben ja dafür schon Vorsorge getroffen, als Sie mit Ihrem
israelischen Kollegen Silvan Shalom in der FAZ einen völlig unrealistischen
Artikel veröffentlicht haben, der nur als widerlich und ekelhaft bezeichnet
werden kann. Die FAZ hat wohl aus politischer Korrektheit meinen Leserbrief. „Die
Jubelaußenminister“ nicht abgedruckt, um Sie nicht zu desavouieren. Von einer
staatstragenden Zeitung habe ich auch nichts anderes erwartet. Wie einseitig
Sie sich äußern, wird aus dem Artikel in der Jubelausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ deutlich, in dem Sie von einem vierjährigen „Intifada-Terror“
der Palästinenser gegenüber Israel sprechen, den Staatsterror Ihres Freundes
Sharon lassen Sie dabei natürlich unerwähnt unter den Tisch fallen. Dass Sie
auch nur jeden Ansatz von Sanktionen oder Verurteilungen der EU gegen Israel
massiv torpediert und schließlich verhindert haben, ist einer Ihrer großen
Verdienste für Israel. Wie tief muss eigentlich ein deutscher Außenminister
noch sinken, um Israels expansionistische und kolonistische Ziele zu
befriedigen? Aber mich als Deutscher palästinensischer Abstammung wundert nach
48 Jahren in diesem Land nichts mehr.
Ich als Sozialdemokrat sehne mich nach
den Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt zurück, als noch selbstbewusst
über deutsche Außenpolitik in Bezug auf Israel diskutiert und entschieden
wurde. Gerhard Schröder hatte den Ansatz gehabt, in den großen Fußstapfen zu
treten, wo er 1991 als Ministerpräsident von Niedersachschen ablehnte, auf
einer Veranstaltung jüdischer Organisationen in Hannover bei einer
Golf-Kundgebeung zu sprechen, weil in dem Aufruf eine Friedensordnung für die
Region gefordert wurde, die das Volk der Palästinenser nicht ausdrücklich
miteinbeziehe. Als Bundeskanzler scheinen diese Fußstapfen doch als eine Nummer
zu groß zu sein für den kleinen Fuß. Ebeneso mutig war der Ausspruch des Bundeskanzlers,
dass "manch man" doch zum Holocaust-Denkmal gerne hingehen sollte,
obwohl der Kanzler am Anfang sehr gegen dieses Denkmal war. Die Deutschen haben
diesen Weisen Spruch sich zu Herzen genommen und gehen gerne dorthin picknicken
und springen mit Freude von Klotz zu Klotz.
Schmidt hatte sich zu Recht nicht mit
den von der Britischen Mandatsmacht gesuchten „Terroristen“ Menachem Begin und
Yitzhak Shamir getroffen. Unter Ihrer Leitung Herr Dr. h. c. Fischer jedoch
degenerierte das Auswärtige Amt zu einer Zweigstelle des israelischen
Propagandaministeriums, wie aus Ihrer offiziellen Homepage zu ersehen ist, auf
der Sie die offizielle Geschichtsversion israelischer Okkupationspolitik
darstellen.
Für eine gesicherte und glorreiche
Zukunft darf ich Ihnen meinerseits alles erdenklich Gute wünschen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Izzeddin Musa
Anschrift
Anlage:
Die Jubel-Außenminister!
Wachtberg, 18.05.2005
- Leserbriefe -
Betr. Deutschland und Israel – Partnerschaft für die Zukunft,
in: FAZ vom 18.5.2005
Sehr geehrte Leserbriefredaktion,
ich bitte um den Abdruck des folgenden Leserbriefes in Ihrer Zeitung:
Die Jubel-Außenminister!
Der Jubelbeitrag des deutschen und des israelischen Außenministers
anläßlich des 40. Jahrestages der Aufnahme bilateraler Beziehungen ist ein
Skandalon. Er ist geprägt durch die totale Verweigerung der Wirklichkeit und
eine durch nichts zu überbietende Ignoranz. Über welche Länder schreiben
Fischer und Schalom eigentlich? Über die Kolonialmacht Israel wohl kaum. Als
Deutsch-Palästinenser finde ich, dass mit der deutschen Selbstgeißelung und der
moralischen Erpressung durch Israel und seine Lobby 60 Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges Schluss sein muss. Dass Fischer der beste Israel-Lobbyist
ist, zeigt seine einseitige Parteinahme für dieses Land. Er hat für alle
israelischen Völkerrechtsverbrechen rechtfertigende und verständnisvolle Worte;
bei den zahlreichen Ehrendoktorhüten israelischer Universitäten und Ehrungen
aller möglichen jüdischen Einrichtungen auch kein Wunder. Fischer als Dr. h. c.
der Universität Haifa sollte sich für Professor Ilan Pappe einsetzen, der von
Seiten der Universität in seiner Existenz bedroht wird, weil er sich für den
Boykott israelischer Universitäten eingesetzt hat, da diese zur
Okkupationspolitik bisher kein Wort der Kritik verloren haben. Es bleibt für
mich völlig unverständlich, wie die beiden Herren Israels brutales Besatzungs-
und Unterdrückungsregime einfach ignorieren. Wenn sich Deutschland seiner
wahren politischen Verantwortung bewusst wäre und die wirkliche Lehre aus den
Holocaust-Verbrechen gezogen hätte, würde es seine Stimme gegen die Sharonsche
Hinrichtungspolitik à la Apache-Kampfhubschrauber, der Ermordung von fast 600
Kindern und Jugendlichen in den letzten vier Jahren, des Vandalismus der
israelischen Armee und der Strangulierungspolitik in den besetzten Gebieten
äußern. Dass Fischer und seinem Kollegen nichts zur völkerrechtswidrigen
Errichtung der Mauer (Ihr Korrespondent Bremer hat dafür den Orwellschen
Begriff der „Umfassungsanlage“ geprägt, FAZ 17.5.05) auf besetztem
palästinensischen Land einfällt, verwundert nicht. Warum soll er hinter den
Rechtfertigungen dieses Schandmals durch seinen Kollegen Otto Schily auch
zurückstehen? Der deutsche Außenminister – vom israelischen ist in dieser Sache
sowieso nichts zu erwarten – beleidigt mit diesem Beitrag und seiner Haltung
die Opfer der Opfer – uns Palästinenser - und trägt durch sein Schweigen über
die israelischen Verbrechen eine moralische Mitverantwortung an der Zerstörung
der Existenzgrundlagen meines Volkes. Zum Abschluss sei auf Artikel 25
Grundgesetz hingewiesen: Danach ist Deutschland verpflichtet, gegen jede
Verletzung des Völkerrechtes von Rechtswegen vorzugehen. Israel wäre dazu das
geeignetste Land, da es seit 38 Jahre gegen die Normen des Völkerrechts
verstößt. Darauf hinzuweisen, gehört zur politischen Verantwortung Fischers und
der deutschen Politiker, insbesondere im 40. Jahr des Jubiläums und 60 Jahren
nach Ende des Zweiten Weltkrieges.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Izzeddin Musa
Anschrift
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