Dr. Izzeddin Musa 2. Mai 2005
Sehr geehrter Herr Präsident,
lieber Genosse Thomas Krüger,
Jahrestage sind gute Gelegenheiten,
wichtiger historischer Ereignisse zu gedenken. So auch der 40. Jahrestag der
Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Israel. Vor dem Hintergrund der in deutschem Namen begangenen Untaten eine
große historische Leistung der Politiker beider Staaten. Was jedoch in Deiner
offiziösen Regierungspostille „Aus Politik und Zeitgeschichte“ daraus gemacht
wurde, entspricht eher einem journalistischen Schmierenstück, als seriöser
Berichterstattung. Staatsoffizielle Regierungspropaganda war doch immer ein
Markenzeichen totalitärer Staaten; dies solltest Du doch am besten wissen.
Wie die ansonsten renommierte
Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ das Thema „Deutschland und Israel“
abhandelt, ist mehr als peinlich. Besonders ärgerlich ist der Beitrag des
deutschen Botschafters Rudolf Dressler. Er zitiert nur die Statistiken des israelischen Geheimdienstes Shabak; in der Regel keine seriöse Quelle. Dressler
dürfte nach vier Jahren Botschafterdasein wissen, dass es viele israelische
Menschrechtsorganisationen, z.B. B’Tselem, gibt, welche die Verbrechen der
eigenen Regierung glaubwürdiger dokumentieren. Dressler zählt quasi jede Kugel
der Palästinenser, wohingegen er die israelischen Mordaktionen á la
Kampfhubschrauber und die unzähligen Verbrechen wie z. B. an Kindern unerwähnt
lässt. Für einen deutschen Botschafter ein Armutszeugnis und ein
Entlassungsgrund. Er bedient sich eines falschen und propagandistischen
Vergleichs mit den Toten Israels hochgerechnet auf die bundesdeutsche
Bevölkerung. Der Botschafter weiß, dass dies ein Milchmädchenrechung ist, weil
Deutschland kein anderes Volk brutal unterdrückt, knechtet und seiner
Lebensgrundlagen beraubt. Dressler rühmt sich auch noch der Tatsache, dass er
als deutscher Botschafter Ariel Sharon auf einer Wahlkampfreise begleitet habe. Diese Servilität sieht man nur für Botschafter von
Bananenrepubliken vor. Dies hat die Bundesrepublik aber nicht nötig. Sie wird
von der israelischen Regierung schon zur Genüge erpresst, wie die
U-Boot-Lieferungen zeigen, die mit Atomraketen und Marschflugkörpern ausgerüstet worden sind. Die Forderung Dresslers, dass das
Existenzrecht Israels zum nationalen Interesse Deutschlands gehören solle, ist
nicht nur eine Dummheit, sondern nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass eine
solche Aussage alle Verbrechen, welche die diversen israelischen Regierungen
gegenüber den Palästinensern begangen haben, von den Deutschen mitgetragen und
gerechtfertigt werden müssten. Wer solches fordert, ist absolut irrelevant und
sollte in den sofortigen Ruhestand versetzt werden.
Dresslers Einfältigkeit ist kaum noch
zu überbieten: Kein Wort zum Einsatz der gesamten Militärmaschinerie gegen
wehrlose Menschen. Kein Wort zum Vandalismus der Soldaten. Kein Wort zur Tötung
von über 400 Kindern im Alter von 0-13 Jahren. Fast alle wurden durch Schüsse
von der Hüfte aufwärts getötet. Kein Wort zu den moralisch verwerflichen
Häuserzerstörungen und Plantagenrodungen. Israelische Journalisten schreiben unbefangen darüber.
Der Botschafter rühmt sich auch noch
damit, dass er Sharon gebeten hat, ihn auf einer Wahlkampfreise begleiten zu
dürfen. Dass sich Sharon darüber überrascht zeigte, verwundert mich nicht. Auf
eine solche Schnapsidee kann auch nur ein Deutscher kommen. Keinem anderen
Botschafter wäre dies eingefallen. Der Abgeordnete Dressler war auch schon einmal
mutiger:
Kurz nach seiner Ernennung hat er die
Völkerrechtsverstöße Israels zu Recht noch vollmundig kritisiert. Gelassen
hatte damals die israelische Regierung darauf reagiert, in dem sie erklärte,
Dressler solle erst einmal nach Israel kommen. Wie man in diesem Artikel sehen
kann, wurde er einer gehörigen Gehirnwäsche unterzogen. Vielleicht sollte er
sich nach seiner Pensionierung einem der zahlreichen israelischen
Lobbyorganisationen in Berlin als Repräsentant andienen. Dieser Botschafter ist
eine Schande für unser Land.
Die anderen Beiträge in Deiner
Zeitschrift sind ebenfalls indiskutabel; sie können unter der Rubik
deutsch-israelische Schönfärberei und Desinformation abgebucht werden. Warum
bringt die Bundeszentrale nicht eine Publikation über die Leiden der
Palästinenser heraus, wo doch die Deutschen die Verantwortung für die Leiden
der Palästinenser tragen? Mein Volk ist die Opfer der Opfer. So weit mir
bekannt ist, hat Deine Institution einen Bildungs- und keinen
Propagandaauftrag.
Unterschrift
Mit Datum 2. Mai 2005 auch Schreiben an:
Redaktion „Das Parlament“
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Deutsch-israelische Gedenktage zu Lasten der Palästinenser?
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bitte um den Abdruck meines Leserbriefes:
Leider habe ich erst heute von der
Israel-Nummer Ihrer Zeitung erfahren. Als Deutsch-Palästinenser muss ich mein
Entsetzen über diese Ausgabe zum 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel zum Ausdruck
bringen. Journalistisch betrachtet, handelt es sich um eine unseriöse
Berichterstattung, sprich staatsoffizielle Regierungspropaganda.
Alle Artikel berichten über ein Land,
das es in dieser Form im Nahen Osten gar nicht gibt. Sie huldigen einer
Israelromantik. Israel als Okkupations- und Unterdrückungsmacht, geschweige
denn die Palästinenser kommen gar nicht vor. Fast alle Beiträge beschreiben
einen Mythos, sie nehmen noch nicht einmal die historischen Fakten zur
Kenntnis, da diese ja störend wirken könnten. So nimmt der Journalist Marc
Simon die Selbstverständnisdebatte in Israel über jüdischer und demokratischer
Staat, die von Azmi Bishara, israelisch-palästinensischer Knessetabgeordneter,
oder von den kritischen Historikern und Intellektuellen geführt werden, nicht
zur Kenntnis. Sie weisen auf den fundamentalen Widerspruch zwischen Demokratie
und jüdischem Staat hin. Beides schließt sich nämlich aus. Ein ethnozentrischer
Staat kann niemals eine Demokratie sein, was Israel auch nicht ist. Das Land
ist eine „jüdische Demokratie“, da alle Nicht-Juden Bürger zweiter, dritter und
gar vierter Klasse sind und massiv diskriminiert werden, weil sie sich zu einem
anderen Glauben bekennen. Simon behauptet allen ernstes, dass Israel beides
sein könne, ein Judenstaat und ein Staat für alle seine Bürger. Er referiert
damit nur die offiziellen zionistischen Glaubenssätze, die längst von den
„Neuen Historikern“ als Propaganda entlarvt wurden. Hätte Simon das Buch von
Simcha Flapan, Sekretär der Mapam-Partei 1954-1981, „Die Geburt Israels –
Mythos und Wirklichkeit“, bereits 1987 erschienen, oder die vielen Beiträge der
„Neuen Historiker“ gekannt, hätte er nicht solchen Unfug schreiben können.
Zu Joschka Fischers Beitrag fällt einem
kritischen Leser nichts mehr ein. Seine Kritiklosigkeit und Pro-Israel-Neigung
spricht Bände. Er schreibt von einem vierjährigen palästinensischen
„Terrorkrieg“ gegen Israel. Kein Wort zum Staatsterror Israels, nichts zum
Einsatz der ganzen Kriegsmaschinerie gegen wehrlose Menschen. Kein Wort zum Vandalismus der israelischen Armee gegen alle staatlichen Einrichtungen und
gegen das Eigentum. Kein Wort zu den fliegenden Hinrichtungskommandos á la
Apache-Kampfhubschrauber. Verantwortungsloser kann sich ein Außenminister nicht
äußern. Aber was Israel anbetrifft, kennt seine Kritiklosigkeit wohl keine
Grenzen.
Besonders delikat ist der Artikel über Frauenreisen
der Bundeszentrale für politische Bildung. Geschmacklos ist das Bild, dass bei
diesem Thema Michel Friedman eingerahmt von Otto Schily und dem Chef der Bundeszentrale
Krüger zeigt. Wie jeder Leser weiß, ist Friedman Experte in Frauen- und
Drogenfragen. Ob er auch Auftrageber von Joschka Fischer und Thomas Krüger ist,
könnte das Bild auch suggerieren. Die Beiträge von Angelika Thimm sind so
einseitig wie immer. Hat doch der ehemalige israelische Botschafter in
Deutschland, Avi Primor, über diese Dame festgestellt, dass, wenn alle so wie
Thimm wären, Israel sich keine Sorgen über sein Image machen bräuchte. Übrigens
gehört der Beitrag von Primor noch zu den ausgewogensten!
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Kopie an den deutschen Botschafter in Israel, Genosse Rudolph Dressler, obwohl ich das Wort Genosse nicht mehr in den Mund nehmen möchte, u.a.
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