Mittwoch, 15. Februar 2017

Mein Volk ist die Opfer der Opfer


Dr. Izzeddin Musa                                                             2. Mai 2005


Sehr geehrter Herr Präsident,
lieber Genosse Thomas Krüger,



Jahrestage sind gute Gelegenheiten, wichtiger historischer Ereignisse zu gedenken. So auch der 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Vor dem Hintergrund der in deutschem Namen begangenen Untaten eine große historische Leistung der Politiker beider Staaten. Was jedoch in Deiner offiziösen Regierungspostille „Aus Politik und Zeitgeschichte“ daraus gemacht wurde, entspricht eher einem journalistischen Schmierenstück, als seriöser Berichterstattung. Staatsoffizielle Regierungspropaganda war doch immer ein Markenzeichen totalitärer Staaten; dies solltest Du doch am besten wissen.
Wie die ansonsten renommierte Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ das Thema „Deutschland und Israel“ abhandelt, ist mehr als peinlich. Besonders ärgerlich ist der Beitrag des deutschen Botschafters Rudolf Dressler. Er zitiert nur die Statistiken des israelischen Geheimdienstes Shabak; in der Regel keine seriöse Quelle. Dressler dürfte nach vier Jahren Botschafterdasein wissen, dass es viele israelische Menschrechtsorganisationen, z.B. B’Tselem, gibt, welche die Verbrechen der eigenen Regierung glaubwürdiger dokumentieren. Dressler zählt quasi jede Kugel der Palästinenser, wohingegen er die israelischen Mordaktionen á la Kampfhubschrauber und die unzähligen Verbrechen wie z. B. an Kindern unerwähnt lässt. Für einen deutschen Botschafter ein Armutszeugnis und ein Entlassungsgrund. Er bedient sich eines falschen und propagandistischen Vergleichs mit den Toten Israels hochgerechnet auf die bundesdeutsche Bevölkerung. Der Botschafter weiß, dass dies ein Milchmädchenrechung ist, weil Deutschland kein anderes Volk brutal unterdrückt, knechtet und seiner Lebensgrundlagen beraubt. Dressler rühmt sich auch noch der Tatsache, dass er als deutscher Botschafter Ariel Sharon auf einer Wahlkampfreise begleitet habe. Diese Servilität sieht man nur für Botschafter von Bananenrepubliken vor. Dies hat die Bundesrepublik aber nicht nötig. Sie wird von der israelischen Regierung schon zur Genüge erpresst, wie die U-Boot-Lieferungen zeigen, die mit Atomraketen und Marschflugkörpern ausgerüstet worden sind. Die Forderung Dresslers, dass das Existenzrecht Israels zum nationalen Interesse Deutschlands gehören solle, ist nicht nur eine Dummheit, sondern nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass eine solche Aussage alle Verbrechen, welche die diversen israelischen Regierungen gegenüber den Palästinensern begangen haben, von den Deutschen mitgetragen und gerechtfertigt werden müssten. Wer solches fordert, ist absolut irrelevant und sollte in den sofortigen Ruhestand versetzt werden.

Dresslers Einfältigkeit ist kaum noch zu überbieten: Kein Wort zum Einsatz der gesamten Militärmaschinerie gegen wehrlose Menschen. Kein Wort zum Vandalismus der Soldaten. Kein Wort zur Tötung von über 400 Kindern im Alter von 0-13 Jahren. Fast alle wurden durch Schüsse von der Hüfte aufwärts getötet. Kein Wort zu den moralisch verwerflichen Häuserzerstörungen und Plantagenrodungen. Israelische Journalisten schreiben unbefangen darüber.

Der Botschafter rühmt sich auch noch damit, dass er Sharon gebeten hat, ihn auf einer Wahlkampfreise begleiten zu dürfen. Dass sich Sharon darüber überrascht zeigte, verwundert mich nicht. Auf eine solche Schnapsidee kann auch nur ein Deutscher kommen. Keinem anderen Botschafter wäre dies eingefallen. Der Abgeordnete Dressler war auch schon einmal mutiger:

Kurz nach seiner Ernennung hat er die Völkerrechtsverstöße Israels zu Recht noch vollmundig kritisiert. Gelassen hatte damals die israelische Regierung darauf reagiert, in dem sie erklärte, Dressler solle erst einmal nach Israel kommen. Wie man in diesem Artikel sehen kann, wurde er einer gehörigen Gehirnwäsche unterzogen. Vielleicht sollte er sich nach seiner Pensionierung einem der zahlreichen israelischen Lobbyorganisationen in Berlin als Repräsentant andienen. Dieser Botschafter ist eine Schande für unser Land.

Die anderen Beiträge in Deiner Zeitschrift sind ebenfalls indiskutabel; sie können unter der Rubik deutsch-israelische Schönfärberei und Desinformation abgebucht werden. Warum bringt die Bundeszentrale nicht eine Publikation über die Leiden der Palästinenser heraus, wo doch die Deutschen die Verantwortung für die Leiden der Palästinenser tragen? Mein Volk ist die Opfer der Opfer. So weit mir bekannt ist, hat Deine Institution einen Bildungs- und keinen Propagandaauftrag.


Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift





Mit  Datum      2. Mai 2005 auch Schreiben an:

Redaktion „Das Parlament“
Platz der Republik 1

11011 Berlin

Deutsch-israelische Gedenktage zu Lasten der Palästinenser?



Sehr geehrte Damen und Herren,




ich bitte um den Abdruck meines Leserbriefes:
 
Leider habe ich erst heute von der Israel-Nummer Ihrer Zeitung erfahren. Als Deutsch-Palästinenser muss ich mein Entsetzen über diese Ausgabe zum 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel zum Ausdruck bringen. Journalistisch betrachtet, handelt es sich um eine unseriöse Berichterstattung, sprich staatsoffizielle Regierungspropaganda.

Alle Artikel berichten über ein Land, das es in dieser Form im Nahen Osten gar nicht gibt. Sie huldigen einer Israelromantik. Israel als Okkupations- und Unterdrückungsmacht, geschweige denn die Palästinenser kommen gar nicht vor. Fast alle Beiträge beschreiben einen Mythos, sie nehmen noch nicht einmal die historischen Fakten zur Kenntnis, da diese ja störend wirken könnten. So nimmt der Journalist Marc Simon die Selbstverständnisdebatte in Israel über jüdischer und demokratischer Staat, die von Azmi Bishara, israelisch-palästinensischer Knessetabgeordneter, oder von den kritischen Historikern und Intellektuellen geführt werden, nicht zur Kenntnis. Sie weisen auf den fundamentalen Widerspruch zwischen Demokratie und jüdischem Staat hin. Beides schließt sich nämlich aus. Ein ethnozentrischer Staat kann niemals eine Demokratie sein, was Israel auch nicht ist. Das Land ist eine „jüdische Demokratie“, da alle Nicht-Juden Bürger zweiter, dritter und gar vierter Klasse sind und massiv diskriminiert werden, weil sie sich zu einem anderen Glauben bekennen. Simon behauptet allen ernstes, dass Israel beides sein könne, ein Judenstaat und ein Staat für alle seine Bürger. Er referiert damit nur die offiziellen zionistischen Glaubenssätze, die längst von den „Neuen Historikern“ als Propaganda entlarvt wurden. Hätte Simon das Buch von Simcha Flapan, Sekretär der Mapam-Partei 1954-1981, „Die Geburt Israels – Mythos und Wirklichkeit“, bereits 1987 erschienen, oder die vielen Beiträge der „Neuen Historiker“ gekannt, hätte er nicht solchen Unfug schreiben können.

Zu Joschka Fischers Beitrag fällt einem kritischen Leser nichts mehr ein. Seine Kritiklosigkeit und Pro-Israel-Neigung spricht Bände. Er schreibt von einem vierjährigen palästinensischen „Terrorkrieg“ gegen Israel. Kein Wort zum Staatsterror Israels, nichts zum Einsatz der ganzen Kriegsmaschinerie gegen wehrlose Menschen. Kein Wort zum Vandalismus der israelischen Armee gegen alle staatlichen Einrichtungen und gegen das Eigentum. Kein Wort zu den fliegenden Hinrichtungskommandos á la Apache-Kampfhubschrauber. Verantwortungsloser kann sich ein Außenminister nicht äußern. Aber was Israel anbetrifft, kennt seine Kritiklosigkeit wohl keine Grenzen.

Besonders delikat ist der Artikel über Frauenreisen der Bundeszentrale für politische Bildung. Geschmacklos ist das Bild, dass bei diesem Thema Michel Friedman eingerahmt von Otto Schily und dem Chef der Bundeszentrale Krüger zeigt. Wie jeder Leser weiß, ist Friedman Experte in Frauen- und Drogenfragen. Ob er auch Auftrageber von Joschka Fischer und Thomas Krüger ist, könnte das Bild auch suggerieren. Die Beiträge von Angelika Thimm sind so einseitig wie immer. Hat doch der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, über diese Dame festgestellt, dass, wenn alle so wie Thimm wären, Israel sich keine Sorgen über sein Image machen bräuchte. Übrigens gehört der Beitrag von Primor noch zu den ausgewogensten!

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift

Kopie an den deutschen Botschafter in Israel, Genosse Rudolph Dressler, obwohl ich das Wort Genosse nicht mehr in den Mund nehmen möchte, u.a.


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