Samstag, 7. Januar 2017

Stellungnahme zum Militäreinsatz israelischer Soldaten

Stellungnahme der "Jüdischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zur neuen Gaza-Krise
http://www.hagalil.com/archiv/2010/06/03/j-sozis/print/

Hier meine Stellungnahme dazu:
Liebe jüdische Genossinnen und Genossen,
mit Interesse und Aufmerksamkeit las ich eure Stellungnahme zum Militäreinsatz israelischer Soldaten, zur Erstürmung der Friedens-Hilfsflotte für Gaza. Der erste Absatz insgesamt ist korrekt, und ich stimme damit überein. Eure berechtigte Forderung nach einer Klärung der Erstürmung wird von Israel verhemmt abgelehnt. Auch der Bundestag fordert ein Ende der Gaza-Blockade und verlangt eine Aufklärung des israelischen Angriffs auf die Hilfsflotte. Israel hat eine internationale unabhängige Untersuchungskommission abgelehnt. Inzwischen bietet Israel eine eigene Untersuchungskommission an, an der auch andere, nicht israelische Personen, teilnehmen dürften. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen lassen zu Recht Zweifel an der Neutralität zu. Was bei einer solchen Untersuchung herauskommt, ist bekannt: gar nichts. Es ist so, als ob ein Mörder seinen eigenen Mord "unabhängig" untersuchen soll.
Bei der weiteren Stellungnahme habe ich in einigen Punkten Übereinstimmung entdeckt, jedoch einige Punkte darin sind zu bemängeln und bedürften einer Erklärung.
Der erste Satz des zweiten Absatzes wird eigentlich im allgemein herbeigeredet. Jedoch nicht in diesem Zusammenhang, da er den Eindruck vermitteln könnte, man schiebe stets die Schuld zuerst auf Israel. Dem ist wohl nicht so. Gehen wir zum zweiten Satz, den man nur als zutreffend bezeichnen kann. Aber der Anschlusssatz, wenn Ihr behauptet, dass die Frage der Erstürmung nichts damit zu tun hat, kann man nicht so im Raume stehen lassen. Denn, hätte die Blockade nicht bestanden, hätten die Menschen, die die unmenschliche Lage in Gaza nicht mehr ertragen konnten, nicht versucht, diese Blockade zu durchbrechen. Worauf Israel mit einem unverhältnismäßigen Militäreinsatz auf hoher See, der gegen internationales Recht verstößt, geantwortet. Die Frage der Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes, ob sie im Zusammenhang oder getrennt beantwortet wird, tut nichts zur Sache. Da die Erstürmung in seiner Gesamtheit nicht berechtigt war, weder von humanitärer noch von rechtlicher Seite. Gar unpassend ist der dritte Satz: "Nicht zu vergessen ist hierbei auch, dass der Aktion des israelischen Militärs eine unmissverständliche Warnung an die Organisatoren der so genannten "Hilfsflotte" vorausging."), den man als ein verstecktes Verständnis eurerseits für diese Vorwarnung verstehen kann. Andererseits vermittelt er eine implizite Drohung! Heißt das etwa, dass die Menschen nicht versuchen sollten, diese unmenschliche Blockade zu durchbrechen? Wollt Ihr in Kauf nehmen, dass diese Blockade ewig dauern sollte, damit den Menschen dort, insbesondere den Kindern, es an allem fehlt? Die 1,5 Millionen Menschen leben seit dem Ende des Überfalls auf Gaza, Sommer wie Winter, in Zelten. Sie haben nichts zu essen, sie haben keine Lernmaterialien. Es gibt keinen Strom. Ganz besonderes fehlt es an sauberem Trinkwasser, was ihnen nach internationalem Recht nicht verweigert werden darf. Mit anderen Worten, es fehlt diesen Menschen wirklich an allem, ohne nun im Detail alles aufzuzählen. Israel will die Menschen bestrafen, nur weil sie ihr elementares, international anerkanntes und verbrieftes Selbstbestimmungsrecht fordern, das ihnen, die so genannte einzige Demokratie im Nahen Osten, Israel, seit seiner Gründung verweigert. Das ist das gleiche Israel, dessen Knessetmitglied, Gründer und Vorsitzender der ultrarechten Partei "Israel Beiteinu", Avigdor Lieberman, ein ehemaliger Türsteher in einem Nachclub in Baku, gegen ihn läuft in Israel seit Jahren ein Verfahren wegen Bestechung und Geldwäsche, öffentlich in der Knesset forderte, arabische Knessetabgeordnete zu liquidieren. Nun ist dieser Ultrarassist und gefährlichste Politiker Israels Außenminister. Ein absolutes Armutszeugnis für Israel und seiner radikal-fanatischen Regierung. Man möge sich vorstellen, irgendein Mensch hier, abgesehen von Ministern, Abgeordnete oder irgendwelchen Politikern, fordert hier so etwas. Nicht auszudenken. Das kann ein Demokrat nie gut heißen und akzeptieren, geschweige denn ein Sozialdemokrat.
Ich möchte hier zu der "unmissverständlichen Warnung" anmerken, dass israelischen Tageszeitungen zufolge, Israel einen blutigen Angriff von Anfang an geplant hat, um alle weiteren Hilfskonvois abzuschrecken. Also eine Abschreckungsmaßnahme, die im nach hinein den helfenden Menschen nur noch mehr Entschiedenheit und Entschlossenheit verliehen hat. Dass Israel allerdings soweit gehen würde, hat keiner der begleitenden Personen, Bundestagsabgeordnete, Knessetabgeordnete, Künstler, Schriftsteller u.v.a., international renommierte Persönlichkeiten, die mit an Bord waren, mit diesem brutalen Angriff gerechnet und daher nicht darauf vorbereitet waren. Für alle war das ein Überraschungsangriff aus heiterem Himmel.
Übrigens in dem selben Satz kommt der Bergriff: "so genannte Hilfsflotte" vor. Bedeutet das etwa, Ihr zweifelt an dem humanitären Zweck der Flotte? Was unterstellt Ihr den mutigen Menschen, die sehr große Opfer gebracht haben, um das Leid der Hungernden in Gaza ein wenig zu lindern? Wenn es so wäre, wäre das m.E. infam.
Mit dem Angriff auf die Schiffe in internationalen Gewässern hat Israel ohne jeden Zweifel das Seerecht grob verletzt. Israel sollte sich demnächst hüten, wieder Hilfsschiffe zu kapern. Es isoliert sich zusehends und macht sich langsam unerträglich für die ganze Welt.
Auch der folgende Satz: "Die Entscheidung der Initiatoren, das Angebot der israelischen und der ägyptischen Regierungen auszuschlagen, die Hilfsgüter an die Bedürftigen über die Landwege zu verteilen, wirft die Frage nach den eigentlichen Motiven der Beteiligten auf", kann so im Raume nicht unkommentiert stehen bleiben. Mit Recht haben die beteiligten Personen es ausgeschlagen, da Ägypten die Hälfte der Güter vom "Free Palestine Hilfskonvoi" von George Galloway konfiszierte, und Israel würde genau so handeln. Es beschlagnahmt nämlich alle Materialen für den Wiederaufbau, aber auch viele andere Hilfsgüter dürfen nicht die Grenze nach Gaza passieren und werden deshalb beschlagnahmt. Das hat Israel in seinem letzten Überfall auf den Hilfskonvoi bewiesen. Durch den international wachsenden Druck gab Israel alle Gefangenen frei und wollte, nach Beschlagnahme von allen wichtigen Materialien für den Wiederaufbau, die Hilfsgüter an Gaza weiter ausliefern. Die dortige Regierung hat dies zu Recht abgelehnt und forderte Israel auf, entweder alle Hilfsgüter oder gar nichts freizugeben. Ägyptens Präsident Mubarak handelt nur auf amerikanischen Befehl, nach den Wünschen Israels. Diesem Politiker kann man also nicht trauen, zumal er mit der Beschlagnahme vertraut ist. Bis heute lässt er keine Hilfssendungen, die ägyptische Parlamentarier organisieren, nach Gaza durch.
Liebe Genossinnen und Genossen, es wäre sehr zu begrüßen, wenn Ihr euch an der nächsten humanitären Schiffssendung, initiiert, geplant und wird durchgeführt von friedensliebenden deutschen Juden "Juden für gerechten Frieden in Nahost", beteiligen würdet.
Ihr schreibt: "In diesem Zusammenhang traf auch die türkische Regierung, unter deren Flagge das betreffende Schiff unterwegs war, eine besondere Verantwortung, auf die Initiatoren deeskalierend zu wirken. Inwiefern die Regierung von Recep Erdogan dieser Verantwortung gerecht wurde, bleibt ebenfalls zu untersuchen". Ich muss betonen, dass ich persönlich stets für Deeskalation bin, jedoch muss ich fragen, wie können Initiatoren deeskalierend wirken, wenn sie überhaupt nicht mit dieser überraschenden Gewalt gerechnet haben? Fest steht, die israelische Armee hat die Schiffe außerhalb ihrer Hoheitsgewässer angegriffen, wo das Seerecht grundsätzlich die "Freiheit der Meere" garantiert und verbrieft. Augenzeugenberichten zufolge, etwa zehn Minuten vor dem Überfall fingen israelische Soldaten an, auf die Schiffe zu schießen. Die israelischen Soldaten haben mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Alle Toten haben die Schusswunden in Kopf oder Brust. Das kann nur mit Absicht geschehen sein. In diesem Fall ist die Rede von einer kaltblütigen Hinrichtung nicht abwegig.
Und noch etwas dazu bei dieser Gelegenheit: Es reicht, dass die Palästinenser, um des Friedens Willen, auf 78 Prozent ihres historischen Landes zu Israels Gunsten verzichtet haben. Aber nein, Israel will alles, außer ein paar Fleckchen, auf denen die Palästinenser ihre Ghettos errichten sollten. Ausnahmsweise hatte der palästinensische Präsident Abbas neulich erkannt und erklärte, es gibt nichts mehr, worauf die Palästinenser ihren Staat errichten können. Wiederum gebe ich ihm ausnahmsweise Recht. Abraham Melzer, Herausgeber von "DER SEMIT", hat es passend formuliert, während die Palästinenser mit Israel über den Frieden in Palästina, was er mit einer Pizza verglich, verhandeln, isst Israel die Pizza auf und am Ende gibt es nichts mehr, worüber man verhandeln könnte.

Ich hätte gerne mit eurem Satz, aus dem letzten Absatz: "Wir bleiben dem Frieden und Erhaltung von Menschenleben verpflichtet! Menschenleben sind zu kostbar, um zu propagandistischen Zwecken missbraucht zu werden. Daran sollten sich alle Seiten in diesem Konflikt erinnern", als Schlusswort genommen, nur muss sich Israel daran erinnern, es soll das Völkerrecht, das Menschenleben und die Menschenrechte der Palästinenser nicht immer mit Füßen treten. Wir erinnern uns an den letzten Überfall auf Gaza, Ende 2008 Anfang 2009, der in allen Einzelheiten dokumentiert worden ist. Die Bilder sind noch vor unseren Augen, Israel hat dort international geächtete und verbotene Waffen gegen Kinder, Frauen und Greise eingesetzt. Das bleibt haften. Israel hält immer noch das Land der Palästinenser seit über 43 Jahren besetzt. Es enteignet, nimmt das Wasser weg, schikaniert, demütigt, entwürdigt, zerstört lebenswichtige Plantagen, exekutiert außergerichtlich, bestraft kollektiv, mordet, baut eine Apartheidmauer, sperrt die Palästinenser in Ghettos ein, und würgt die Wirtschaft ab usw. Die Liste Unmenschlichkeiten kann beliebig weitergeführt werden.
Nun der allerletzte Satz: " Auch gilt es gerade in Deutschland mit aller Kraft zu verhindern, dass die tragischen Ereignisse im Mittelmeer zu einem Vorwand für die Verbreitung von antisemitischer und israelfeindlicher Haltung missbraucht werden", den hätte man sich wirklich sparen können. Müssen wir in der Tat mit der "Antisemitismuskeule" à la Henryk M. Broder stets um uns schlagen, um jede Kritik an der menschenverachtenden Politik Israels mundtot zu machen? Israel muss menschlicher werden, sich in die Weltgemeinschaft einfügen und den Palästinensern ihr Selbstbestimmungsrecht, was ihnen von der Staatengemeinschaft garantiert ist, zugestehen. Damit kann jede Antihaltung gegen Juden oder gegen Israel von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. So einfach ist das.
Liebe Genossinnen und Genossen, es stünde jedem gut zu Gesicht, wenn er öffentlich, laut und in aller Deutlichkeit ein "Unrecht als Unrecht" bezeichnen würde. Von aufrechten SozialdemokratenInnen möchte ich das als eine Selbstverständlichkeit empfinden. Auf dieser Basis kann eine fruchtbare Diskussion, die zum Wohle Israels und Palästinas ist, geführt werden.

Mit solidarischen Grüßen
Dr. Izzeddin Musa
Ein echter Semit, geboren in Haifa

Wachtberg Juni 2010

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen